M E I N   I T A L I E N

Wissenswertes

 


10 FILME, UM ITALIEN KENNENZULERNEN (12. August 2020)


Eine gute Methode, ein Land auch ohne einen län­geren Aufenthalt im Selben kennenzulernen, ist, dessen Filme mit wachem und kritischem Auge an­zusehen. Dadurch kann man vieles über die Ge­schich­te des Landes und den Alltag, die Men­ta­li­tät und den Humor seiner Menschen erfahren.

Ich beschränke mich hier auf Filme, die neben einer hohen Qualität auch einen Einblick in das wirkliche Leben Italiens bieten. Es tauchen deshalb auch einige Meisterwerke wie „Il Gattopardo“ von Lu­chino Visconti  oder Fellinis  „Roma“ in der Liste nicht auf.

Leider ist die Sprache oft ein Hindernis, denn zahlreiche der besten italienischen Filme wurden nicht ins Deutsche übersetzt. Und es han­delt sich dabei oft um aus­schlag­ge­bende Filme. Ein ty­pi­sches Beispiel dafür ist die sogenannte „Com­me­dia all'italiana“. Dies ist die Be­zeich­nung für das Genre der ita­lie­ni­schen Film­ko­mödien der späten 1950er- und 1960er-Jahre. Die Komödien be­fassten sich – meist mit satirischem Unterton – mit den Ge­wohn­hei­ten der „kleinen Leute“. Bevorzugt wird das Bürgertum aufs Korn genommen. Einige die­ser (eigentlich unübersetzbaren) Filme weisen im­mer­hin Untertitel in italienischer oder englischer Sprache auf. Man sollte sich jedenfalls die Mühe zu machen, selbige anzusehen.


ROM, OFFENE STADT (1945)

Dieser erste wirklich große neorealistische Film ist ein Eckpfeiler der Geschichte des Weltkinos. Roberto Rossellini drehte ihn auf der Straße, an den realen Orten der Ereignisse. Im Juni 1944 wa­ren bereits alliierte Truppen in Rom ein­mar­schiert, und schon wenige Monate später begann Roberto Ros­sellini mit den Dreh­arbeiten zu dem Film, in des­sen Mittelpunkt die wahre Geschichte des Pfar­rers Don Giuseppe Morosini  steht, der wegen seiner aktiven Beteiligung an der Par­ti­sa­nen­be­we­gung von den Nazis erschossen wurde.

Der Film Rom, offene Stadt  handelt von einer ita­lie­ni­schen Wi­der­stands­gru­ppe in Rom im Jahr 1944. Der deut­sche Gesta­po-Chef Berg­mann (Harry Feist) jagt einen der Führer des Widerstands, den Kommunisten Giorgio Manfredi (Marcello Pagliero), der sich bei der schwangeren Pina (Anna Magnani), der Frau seines Freundes Francesco (Francesco Grandjaquet) versteckt. Der Dorfpriester Don Pietro (Aldo Fabrizi) hilft den Mitgliedern des Widerstands. Manfredi entkommt den Deutschen, während Francesco festgenommen wird. Als er auf den Lastwagen geladen wird, der ihn wegbringen soll, läuft Pina ihm nach, um ihn zu erreichen, fällt aber unter das Feuer der Maschinengewehre. Nach dem Tod der Frau wird Don Pietro gefangen genommen, während er einem überläufigen österreichischen Soldaten und einem einflussreichen Mitglied des Widerstands bei der Flucht in ein Kloster hilft. Er wird erschossen, weil er dem Feind keine In­for­mationen gegeben hat. Zum Trailer (deutsch)


DON CAMILLO UND PEPPONE (1952)

Don Camillo und Peppone“, der schlaue Dorf­pfar­rer und der sture kommunistische Bür­ger­meis­ter, sind Kult. Der am Ufer des Po lie­gen­de Ort Brescello  in der Emilia-Romagna, in dem ihre Geschichte spielt, ist zur Pilgerstätte ge­worden.

Die Figuren Don Camillo und Peppone basieren auf den Romanen des italienischen Journalisten und Sa­ti­ri­kers Giovannino Guareschi.

Der Film Don Camillo & Peppone   sowie die weiteren Folgen spielen in der „kleinen Welt“ eines Dörfchens in der Po-Ebene: Hier regieren der temperamentvolle ka­tho­lische Pfarrer Don Camillo (gespielt von Fer­nan­del) und der sture kommunistische Bür­ger­meis­ter, der „Onorevole  – Po­litiker im Amt werden in Italien so, nämlich als „Ehren­wer­ter“ bezeichnet – Peppone (gespielt von Gino Cervi). Während des Krieges waren sie noch Kameraden im Par­ti­sa­nen­kampf, jetzt sind sie Widersacher. Sie kon­kur­rie­ren um die Lösung der sozialen Fragen ihrer Zeit, im Besonderen um die Verbesserung des Schick­sals der armen Landarbeiter in der Po-Ebene. Nur sind ihre Wege völlig verschieden!

Weshalb ich diesen Film (bzw. diese Filme) zu den wichtigsten ita­lienischen Filme zähle? Immerhin erhielt der erste Film 1953 den „Silberner Becher“ für den „besten Film“, „der zur Förderung des demokratischen Ge­dan­kens beiträgt“, und wurde 1954 nominiert für den British Film Academy Award  in der Kategorie „Bester Film“. Der Film wi­der­spie­gelt die politische Situation, die in Europa (und Italien) wenige Jahre nach Kriegsende herrschte: den „Kalten Krieg“ zwischen den Blöcken Ost und West. In Italien war der Einfluss der katholischen Kirche, der der Großteil aller Italiener angehörte, sehr groß. Die Kirche griff deshalb mit ihrem Ein­fluss in den Streit mit dem Marxismus-Le­ni­nis­mus der Sowjetunion, den die starke ita­lie­nische kom­munistische Partei (PCI) vertrat, mit Macht ein.

Obwohl Guareschi ein erklärter Antikommunist war, kann man die Don-Camillo-Geschichten auch als mo­ra­lischen Appell an die politischen Lager ver­ste­hen, den Wiederaufbau nach der Über­win­dung der fa­schis­ti­schen Mussolini-Diktatur gemeinsam zu gestalten. Zum Trailer (deutsch)


PANE AMORE E FANTASIA (1953)

Leider ein Film, von dem es keine deutsche Synchronisation gibt. Brot, Liebe und Fantasie  ist ein Spielfilm von Luigi Comencini mit Vittorio de Sica und Gina Lollobrigida in den Hauptrollen. Der Ko­mö­dienklassiker machte Gina Lollobrigida  – die „Lollo“ – zum Star!

Der Beginn der 1950er-Jahre war eine Zeit his­to­rischer und sozialer Umwälzungen für Italien, vor allem aber für die Lebensgewohnheiten der Ita­lie­ner. In der Dunkelheit der Kinos begannen die Zuschauer, sich eine Abkehr vom Ernst des Neorealismus zu wünschen. Die wirtschaftliche Erholung begann das Land zu einem Wohlstand und einer Unbeschwertheit voller Erwartungen zu treiben. Der Film „Pane, amore e fantasia“ hatte deshalb einen durchschlagenden Erfolg und wurde zum Vorläufer für unzählige Imitationen. Der Film ver­körpert exemplarisch den fließenden Übergang vom Neorealismus der ersten Nachkriegsjahre zur „Com­me­dia all'italiana“.

Der Film Pane, amore e fantasia  ist eine charmante dörfliche Komödie voller milder Erotik und leichter Sozialkritik. Er spielt im imaginären Dorf Sagliena  (der Drehort war das 800-Einwohner-Dorf Castel San Pietro Romano  nördlich von Rom), einem Symbol des Nach­kriegs­ita­lien, das auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist. In diesem Bergdorf geht der nicht mehr ganz junge Maresciallo  (Polizeimeister) der Carabinieri Antonio Carotenuto  (Vittorio De Sica) auf Brautschau. In die engere Wahl fallen die Hebamme Annarella  (Marisa Merlini) und die temperamentvolle Maria, die „Ber­sa­gliera“ (Gina Lollobrigida). Die hat sich jedoch schon in einen Gendarmen, den schüchternen Stelluti  (Roberto Risso) verliebt. An der pikanten Konstellation nehmen die Dorfbewohner regen Anteil.

Ich zähle diesen Film, der in Berlin einen Silbernen Bären gewann, zu den wichtigsten ita­lienischen Filme. In seine „ländliche“, einfache Dimension konnten sich viele Menschen hineindenken. Die Streitereien zwischen dem Maresciallo  und der „Bersagliera“, der Klatsch, der Aberglaube und die Vorurteile des kleinen Ortes, der Regisseur führte damit über den Neorealismus hinaus hin zum Terrain der großen italienischen Komödie. Sehen Sie auf Yotube einige Bilder des Filmes.


ROCCO UND SEINE BRÜDER (1960)

Was für Deutschland die „Gastarbeiter“ waren, das war für das Italien des Wirtschaftswunders die Immigration aus dem armen Süden in die Städte des industriell hoch entwickelten Nordens. Immigration und wirt­schaf­tlicher Boom, das sind auch die Themen dieses Meisterwerks von Luchino Visconti, das zur Spätphase des italienischen Neorealismus gehört. Der Film nimmt Personen und Motive des Buches Il ponte della Ghisolfa  von Giovanni Testori  auf.

Die Hauptfigur im Film Rocco und seine Brüder  (Originaltitel: Rocco e i suoi fratelli) ist Rocco  (Alain Delon). Es geht um ihm und seinen verzweifelten Versuch, als aus dem Süden aus­ge­wan­dertes Proletarierkind in der reichen, aber kalten norditalienischen In­dus­triekapitale Mailand anzukommen und ökonomisch und in der So­zial­ska­la ir­gend­wie nach oben zu gelangen.

Kurzabriss:  Rosaria  kommt mit ihren vier Söhnen Rocco, Simone (Renato Salvatori), Ciro  und Luca  aus dem Süden Italiens nach Mailand, wo Vincenzo, der älteste der Brüder, schon seit einiger Zeit lebt. Sie hofft, dass Vincenzo allen Arbeit besorgen kann, doch die Großstadt ist un­er­bittlich. Als Simone sich in die Prostituierte Nadia  (Annie Girardot)verliebt, diese aber seinen Bruder Roc­co vorzieht, wird Simone zum erbarmungslosen Rivalen Roccos und die Familie droht zu zerfallen . . . Zum Trailer (deutsch)


HOCHZEIT AUF ITALIENISCH (1964)

Die Rolle Neapels im italienischen Film ist über­ragend. Totò, Sophia Loren, die Brüder Eduardo  und Peppino De Filippo, mit ihnen hat sich ganz Italien identifiziert. Sie waren nicht nur Symbole des neapolitanischen Wesens, sondern der „Italianità“ schlechterdings. „Filumena Marturano“ ist das populärste Theaterstück des nea­po­li­ta­nischen Autors und Schauspielers Eduardo de Filippo. Die Komödie wurde in mehrere Sprachen übersetzt und mehrmals verfilmt. Die bekannteste (sehr erfolgreiche) Verfilmung ist die des Regisseurs Vittorio de Sica, „Hochzeit auf Italienisch“, in dem Sophia Loren und Marcello Mastroianni die Hauptrollen spielten.

Der Film Matrimonio all' italiana  (Hochzeit auf Italienisch) erzählt von Filumena, einer nicht mehr ganz jungen „Signora“ mit einer Ver­gan­gen­heit als Pros­ti­tu­ier­te, die bereits seit dreißig Jahren mit Don Domenico Soriano  (Mimì) lebt, der früher ihr Kunde war. In all den Jahren war sie für ihn Haushälterin und zugleich Verwalterin seiner Firma. Filumena will unbedingt ihr Ziel erreichen, geheiratet zu werden. So beichtet sie Mimì, dass sie drei Söhne habe, die zwar nicht wüssten, dass sie ihre Mutter sei, die sie aber über die Jahre immer finanziell unterstützt habe. Diesen Kindern möchte sie jetzt eine legitime, geschützte Existenz verschaffen. Sie konfrontiert Domenico zugleich mit der Aussage, dass er der Vater eines dieser drei Kinder sei . . . Zum Trailer []


LA RAGAZZA CON LA PISTOLA (1968)

Mario Monicelli ist einer der „großen“ Regisseure des italienischen Nachkriegskinos. Sein Film „I soliti ignoti“ (Diebe haben’s schwer) leitete die „Com­me­dia all’italiana“ ein. Monica Vitti gilt als eine der erfolgreichsten italienischen Schau­spie­le­rin­nen. Sie wurde vielfach ausge­zeichnet und erhielt im Jahre 1995 bei der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen  für ihr Lebenswerk.

Der Film La ragazza con la pistola   (Das Mädchen mit der Pistole) handelt von den archaischen, katholischen, konservativen Sitten Siziliens der frühen Nachkriegszeit. In einem kleinen sizilianischen Dorf wird die junge Assunta Patanè  vom örtlichen Schür­zen­jäger Vincenzo Maccaluso  verführt. Und weil Vincenzo nach der gemeinsamen Liebesnacht nach Schottland flieht, muss sich Assunta, um ihre „Ehre“ und die ihrer Familie zu retten (so verlangten es die Sitten) mit einer Pistole im Gepäck auf den Weg machen, um ihren Verführer zu töten. Doch im modernen Großbritannien der späten 1960er, der Zeit der Miniröcke, Kurzhaarfrisuren und freien Liebe ändern sich ihre Vorstellungen vom Leben, und Assunta gelingt es, die Beschränkungen, die die sizilianische Kultur den Frauen auferlegte, zu über­win­den. Sie erlebt eine langsame Entdeckung einer anderen Welt und eines anderen Lebens­stils . . .

Die DVDs sind leider nur auf Italienisch mit ita­lienischen Untertiteln versehen. Wer des Ita­lie­ni­schen ei­ni­germaßen kundig ist, dem sei der Film jedenfalls dringend empfohlen. Denn der Film bietet einerseits reine, unbeschwerte Unterhaltung und fokussiert gleichzeitig den Blick auf die enormen Unterschiede der beiden Kulturkreise. Zum Trailer []


MALIZIA (1973)

Zunächst soll die Bedeutung des Wortes erklärt werden. Denn „Arglist“, „Heimtücke“ oder „Ver­schmitztheit“, wie man es im Wörterbuch fin­det, treffen den Nagel nicht auf den Kopf. Gemeint ist in diesem Fall die unter dem Deck­man­tel scheinbarer Naivität bewusste Anspielung auf das, was erotisch oder gewagt ist oder die verdeckte Absicht, etwas Verbotenes, Pikantes zu tun.

Der Film von Salvatore Samperi hatte damals einen sehr großen Erfolg, was besonders auf seine subtile Schlüssellochblick-Erotik zurückzuführen war, die noch die Atmosphäre des Heimlichen und Verbotenen einer noch nicht befreiten Sexualität widerspiegelte. Damals war der Film nur für Jugendliche ab 18 zugelassen. Im Anbetracht der immer exhibitionistischer gewordenen Filmwelt trägt Malizia  noch fast altmodische Züge von Keuschheit und Naivität.

Der Film Malizia - Ein maliziöses Vergnügen  spielt in den 1960er-Jahren im sizilianischen Acereale: Die junge attraktive Angela  (Laura Antonelli) kommt als Dienstmädchen in das Haus des vor kurzem verwitweten Don Ignazio  (Turi Ferro) und seiner drei Söhne: des achtzehnjährigen Antonio, des vierzehnjährigen Nino  (Alessandro Momo) und des sechsjährigen Enzo. Alle sind von Angelas Schönheit beeindruckt. Nach einiger Zeit hält Ignazio um die Hand des Dienstmädchens an, nur stellt diese als Bedingung, dass auch die drei Söhne mit der Hochzeit einverstanden sind. Während Nino und Enzo einverstanden wären, ist der mitten in der Pubertät steckende Nino, der selbst in Angela ver­liebt ist, dagegen. Er bedrängt sie auch immer mehr, dass sie sich auf ihn einlässt und seine ero­ti­schen Forderungen erfüllt. Angela sieht sich am Ende gezwungen, eine Nacht mit ihm zu ver­brin­gen. Eine Szene des Films []


LAMPEDUSA (2002)

In diesem Film mit dem Originaltitel „Respiro“ (wörtlich: „Atem“) meint man das Italien einer an­deren Zeit zu spüren: ursprünglich und ar­cha­isch. Zwar würde sich niemand wirklich nach den strengen Moralvorstellungen der Insel sehnen, doch der Film schafft es, die Sehnsucht nach der kleinen menschlichen Gemeinschaft zu wecken, nach einem Leben im Einklang mit dem Meer und der Sonne und der bezaubernden Schönheit des Mittelmeers.

Der Film Lampedusa ist die Umdeutung einer alten Le­gende der kleinen Mit­tel­meer­insel Lampedusa, die von einer jungen Frau erzählt, die einst auf der Insel lebte. Sie war von freiem Geist und wollte sich nicht an die engen Regeln und mo­ra­li­schen Vor­stel­lungen der Dorfgemeinschaft halten. Eines Tages verschwand sie, nur ihre Kleider fand man am Strand. Die Zeit verging, doch sie blieb verschwunden. Die Dorf­be­wohner wurden von Schuld­ge­füh­len geplagt, sie dachten, die Frau in den Selbstmord getrieben zu haben. Sie gedachten ihrer und beteten für sie. Bis eines Tages . . . Zum Trailer (deutsch)


ICH HABE KEINE ANGST (2003)

Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Niccolò Ammaniti  aus dem Jahr 2001 ist einer der besten Filme von Gabriele Salvatores. Das Thema des Films beruht auf eine im Italien der 1970er- bis 1990er-Jahre andauernde Welle von Entführungen, etwa 700 in 30 Jahren. Die Ent­füh­rungs­industrie hielt jahrzehntelang das Land in Atem. Betroffen waren Familien, Klein­un­ter­nehmer, Reiche, Industrielle, Männer, Frauen und Kinder. Es wurde viel Geld erpresst, der Staat war zunächst völlig überfordert. Die Ent­füh­rungswelle hörte erst dann auf, als 1991 ein Gesetz erlassen wurde, welches das vorbeugende Einfrieren von Ver­mö­gens­werten der Betroffenen vorsah, um die Zahlung des Lösegelds zu verhindern. Ein weiterer Grund war, dass die in­vol­vier­ten kriminellen Vereinigungen wie die kalabrische 'Ndrangeta diese Art von Verbrechen schrittweise zu­gunsten sicherer und rentablerer Aktivitäten wie jene des Drogenhandels aufgaben.

Der Film Ich habe keine Angst spielt in einem kleinen ländlichen Dorf in der Basilikata, wo der zehnjährige Michele Amitrano die fünfte Klasse besucht und mit seiner Familie lebt. Zusammen mit anderen Kindern veranstaltet er ein Wettrennen zu einem alten verfallenen Haus. Auf dem Weg nach Hause kehrt Michele noch einmal zurück, weil seine Schwester ihre Brille verloren hat. Auf der Suche danach stößt er neben dem verlassenen Haus auf ein mit Wellblech verdecktes Erdloch. Er sieht darin die hagere und verwahrloste Gestalt eines Jungen mit einer Kette am Fuß, was ihn mächtig erschreckt und weglaufen lässt.

Das Erlebte lässt ihm keine Ruhe, sodass er immer wieder mit dem Fahrrad zur Ruine fährt und dem Kind in der Grube etwas zu essen bringt. Wieder zu Hause hört er Männer, die über eine Entführung diskutieren, die nun schon Monate dauere. Sämt­liche Bewohner des Ortes sind in diese ab­scheu­li­che Tat, mit der sie aus ihrer Armut he­raus­zu­kommen hoffen, verstrickt. Michele hört von einer Abmachung: Die Einwohner des Dorfes sollen den Jungen, Sohn eines Mailänder Un­ter­nehmers, solange versteckt halten, bis das Lösegeld bezahlt wird . . .

Wie der Film weitergeht, möchte ich an dieser Stelle nicht erläutern, um nicht die Spannung, die jener eines Hitchkock-Filmes gleichwertig ist, weg­zu­nehmen. Zum Trailer (deutsch)


DAS GANZE LEBEN LIEGT VOR DIR (2008)

Du hast das ganze Leben noch vor dir“. Wie oft hat man diesen Satz schon gehört, vor allem, wenn man jung ist, die Schule oder das Studium gerade abgeschlossen hat und sich auf den Eintritt ins Berufsleben vor­be­reitet. Die Wirklichkeit sieht meistens anders aus. Von diesen Realitäten erzählt der italienische Regisseur Paolo Virzì.

Der Film wurde vom Buch „Il mondo deve sapere“ (Die Welt muss wissen) von der sardischen Auto­rin Michela Murgia inspiriert, die darin ihre Er­fah­run­gen als Callcenter-Mitarbeiterin verarbeitete.

Der Film Das ganze Leben liegt vor dir be­schreibt in Form einer Komödie die pre­kä­ren Ar­beits­be­din­gungen in einem Callcenter mittels der Ge­schich­te von Marta, die ihr Phi­lo­so­phie­stu­dium mit „Summa cum laude“ beendet hat und einen Arbeitsplatz sucht. Das sieht in ihrem Bereich aber sehr schlecht aus. Schließlich landet Marta in einem Callcenter. Paolo Virzì erzählt in erstaunlich heitererer Form über Men­schen, die keinen Job finden und über Firmen, die mit allen Methoden das Letzte aus ihren Mit­ar­bei­tern he­raus­pressen. Der Film zeigt eine un­ge­schön­te Seite des knallharten Italiens in der Zeit von Glo­ba­lisierung und Berlusconi, aber mit er­fri­schendem Humor. Er ist letztlich ein Plädoyer dafür, inmitten einer nur noch an Effizienz aus­ge­rich­te­ten Ar­beits­welt die Menschlichkeit nicht zu vergessen. Zum Trailer (deutsch)