Montag, 3. Juni | |||
Beim morgendlichen Capuccino in Montalcino | |||
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Booking.com | |||
Oder man beobachtet ein Kind, dem von den Eltern das Dreirad versteckt wurde und nun vorgetäuscht wird, es sei verschwunden. Alle Anwesenden lassen sich auf das Spiel ein: die alten Herren, die beim Kaffee sitzen, der Barmann, Zufallspassanten. Schließlich lässt man dem Kleinen mit großem Trara sein Spielzeug wieder finden. | |||
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Die Festung von Montalcino (Lizenz) | |||
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Bekannter als der Ort ist freilich sein Wein, der Brunello, um den hier ein echter Kult getrieben wird. Und auch sein preiswerter Bruder, der Rosso da Montalcino, ist nicht zu verachten. Und so wie man in Bayern das eigene, bayerische, Bier bevorzugt und der Frühschoppen mit Weißbier zur lokalen Kultur gehört, so würde hier niemand auch nur im Entferntesten daran denken, einen Barolo oder einen Kalterer See zu trinken. Es ist schön, eine lebendige Kultur zu beobachten, die es nicht nötig hat, ein Sammelsurium fremder modischer Elemente in Anspruch zu nehmen. | |||
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Auf Zimmerusche | |||
![]() In Lucca landete ich mit dem Auto in der autofreien (!) Innenstadt, schwitzend, fluchend und mit dem schier aussichtslosen Unterfangen, in den engen Einbahnstraßen ein Hotel zu finden. Ich fand schließlich das kleine Hotel Bernardino, das zwar außerhalb der Mauern liegt, aber nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt ist und eine angenehme familiäre Atmosphäre ausstrahlt. Auch gestern spielte sich die Suche (die schließlich in Montalcino endete) nicht gerade auf erfreuliche Weise ab. Nach dem Besuch des Klosters von Monte Oliveto ging die Fahrt durch eine sanfte, bereits in die Spätnachmittagsfarben getauchte hügelige Landschaft weiter. Endlich hatte ich im Licht und in den Formen des Landes ein wenig von jener Toskana gefunden, die meiner Vorstellung entsprach. |
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In Chiusure, einem Dörfchen wie in De Sicas Film "Pane amore e fantasia", suchte ich, beschwingt von der Vorstellung, alte Filmerinnerungen wieder ins Leben zu rufen, nach einer Unterkunft. Drei Mal fuhr ich um das Dorf herum, stieg aus, lief durch alle Gassen, betrat den einen oder anderen Laden - vergeblich! Es ist kaum zu glauben: In einer Gegend, durch die jedes Jahr und zu jeder Jahreszeit Tausende von Touristen fahren, gibt es so gut wie keine Privatzimmer. Die Schilder "Zimmer frei" sind weit, weit weg! | |||
Also Schluss mit der Hoffnung, abends bei Sonnenuntergang auf der kleinen
Piazza zu sitzen und das warme, kleine, dörfliche Italien zu genießen. Ich
fuhr weiter. Das Licht wurde immer sanfter, die Hügellandschaft immer anmutiger. Bald kam ein Hinweis: "azienda agrituristica". Also nichts wie in die Nebenstraße abzweigen, weiterfahren auf steinigem, staubigem Weg, mal rauf und mal runter, kilometerweit, nach jeder Kurve eine völlig neue, faszinierende Aussicht - aber wann endlich würde ich mein Ziel erreichen? Ich war begeistert, musste aber immer häufiger auf die Uhr schauen und auf die Benzinwarnlampe, die bereits gefährlich flackerte. Als ich nach unzähligen Kurven und Tonnen von aufgewirbeltem Staub endlich ankam, war ich zunächst etwas betroffen. Das ist also eine azienda agrituristica, dachte ich mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend. Vor mir sah ich mehrere flache, moderne Bauten, eine Umzäunung, in der sich ein paar Pferde tummelten, und einen geräumigen Parkplatz mit Autos aus Siena und aus Deutschland, also offensichtlich von Urlaubsgästen. In einem der Anwesen tauchte plötzlich ein "Verwalter" auf und führte mich hinein. Drinnen gab es eine Bar, Sauna und Massage-Räume und einen entsetzlich geschmacklosen Aufenthaltsraum, der eine Atmosphäre wie in einer Diskothek in Rimini ausstrahlte. Das gab mir den Rest. Mit "Ferien auf dem Bauernhof", so war mein Eindruck, hatte dieser agriturismo so gut wie nichts zu tun. Man hatte es hier nicht mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zu tun, dem ein paar Zimmer für Touristen einen Nebenerwerb ermöglichten, sondern mit einer modernen Ferienanlage mit allem Komfort, rustikal nach Maß der Städter, mit Appartements, Restaurantbetrieb, Sportmöglichkeiten und anderem mehr. |
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Frei laufende Hühner und freundliche "Mamas", die im Dampf der
Küche stehen und in großen Töpfen Spaghetti umrühren, konnte man nicht erwarten.
Ernüchtert stieg ich ins Auto und fuhr den gleichen langen und staubigen
Weg, den ich gekommen war, wieder zurück. Das Benzin und das Licht gingen rapide zur Neige und ich musste, falls ich nicht irgendwo in der Dunkelheit ohne Sprit und ohne Trost mitten auf der Landstraße übernachten wollte, auf den Gedanken einer idyllischen Unterkunft auf dem Land verzichten und im nächstgelegenen größeren Ort ein Quartier suchen. Bilanz der langen Suche: ein nicht gerade preiswertes Zimmer direkt an der Hauptstraße etwas außerhalb von Montalcino. |
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![]() Bei der nächsten, diesmal wieder eher aseptisch wirkenden azienda, an der ich vorbeikam, war ich wieder nahe dran, aufzugeben und noch einmal in einer Stadt, diesmal in Pienza, ein Hotel aufzusuchen. |
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