Literatur/ Presse

Roberto Saviano
 
Roberto Saviano (geboren 1979 in Neapel) ist ein italienischer Schrift­steller und Journalist. In sei­nem literarischen Werk und Reportagen beschäf­tigt er sich hauptsächlich mit der organisierten Kri­mi­nalität.
Für seinen 2006 erschienen Roman „Gomorra" (deutsch­er Titel Gomorrha) wur­de Sa­via­no mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Premio Viareggio. Der Titel des Romans spielt sowohl auf das sündhafte Gomorrha der Bibel an, als auch auf das nea­po­li­ta­ni­sche Verbre­cher­syn­dikat Camorra. „Gomorra" ist eine Mischform zwischen Roman und journalistischer Reportage und beschreibt detailliert die Praktiken der Ca­mor­ra und ihre Verstrickung mit den legalen Wirt­schafts­struk­turen und der Politik.
Das Buch liefert Hintergründe über das Wirt­schafts­sys­tem der Camorra, über Schmuggel, über illegalen Waffen- und Drogenhandel und vor allem: Das Buch nennt Namen. Nicht zuletzt deshalb steht das Buch in Italien seit fünf Monaten auf der Best­sellerliste.
3600 Tote durch die Camorra in nicht einmal 30 Jahren. Diese Bilanz zieht Roberto Saviano in seinem Buch. Nun ist er selbst vom Tod bedroht. Nach der Ver­öf­fent­lichung des Buches setzte ihn die Camorra auf ihre „schwarze Liste“. Aufgrund der zahlreichen Mord­droh­un­gen erhielt der junge Autor, auch dank eines Appells des Schrift­stel­lers Um­berto Eco, Personenschutz vom Innen­mi­ni­sterium. Sein Auf­ent­haltsort ist unbekannt.
Gomorrha
Gomorrha
ROberto Saviano
Die Schönheit und die Hölle
Gomorrha
Gomorrha, der Film
„Wenn man an die mögliche Er­mor­dung von Salman Rushdie denkt, weiß man nicht, ob der Täter aus Malaysia gekommen wäre oder aus Pakistan oder Ägypten“, so Umberto Eco. Aber im Fall Saviano wisse man ganz genau, von wem die Dro­hun­gen kommen. „Sogar die ge­nauen Namen sind bekannt! Sie ste­hen nämlich im Buch“, sagt der Schriftsteller.
Im Süden des Landes hätten die Be­hörden nicht viel zu mel­den. Wer gegen die Omertà, das Schwei­ge­gebot, verstöße, der sei in Gefahr. Und jetzt, so Eco, sehe es so aus, als würde sich Saviano in der gleichen Situation be­fin­den wie die Richter Falcone und Bor­sel­lino. Beide waren Anti-Mafia-Richter, beide erhielten zahlreiche Dro­hun­gen, und beide wurden schließ­lich im Jahr 1992 ermordet.
Wenn man an Mafia und Camorra denkt, so fallen einem als erstes ille­galer Waffenhandel, Men­schen­han­del, Drogenhandel, durch Kor­ruption und Er­pres­sung er­lang­te Großaufträge im Baugewerbe, illegale Müllentsorgung und Schutz­geld­er­pres­sung ein. Savianos Buch macht auf einen weiteren sehr er­trag­reichen Bereich aufmerksam: die Pro­dukt­pi­ra­terie von Luxusgütern.
Auf sieben Milliarden Euro Jahresumsatz schätzen Finanzpolizei und Hersteller den Schwarzmarkt in Italien. Sehr profitabel - und nicht allzu riskant. Vor etwa zehn Jahren ist die Camorra groß ins Fäl­scher­ge­schäft eingestiegen: In unzähligen Schwarz­be­trie­ben rund um den Vesuv stellen ein­ge­schmug­gelte Chinesen - zum Teil unter Anleitung heimischer Schneidermeister - perfekt gefälschte Design­er­klei­dung her. Auch lassen die Bosse im Zuge der Glo­ba­li­sie­rung direkt in China pro­du­zie­ren. Die Ware wird dann mit breitem Verteilernetz in aller Welt als authentische Markenware verkauft. Oft wehren sich die Ori­gi­nal­her­steller gar nicht, haken den Handel mit ihrem gefälschten Label als un­frei­willige Image-Werbung ab.
Ein kurzer Auszug aus Savianos Buch:
... In Neapel werden heute fast ausschließlich Waren aus China gelöscht, 1.600.000 Tonnen. Offiziell. Mindestens eine weitere Million kommt ins Land, ohne Spuren zu hinterlassen. Nach Angaben der Zollbehörde selbst werden im Hafen von Neapel sechzig Prozent der Güter an der Zollkontrolle vorbei­ge­schleust, zwanzig Prozent der Papiere werden nicht kontrolliert, und 50000 Dokumente sind gefälscht: 99 Prozent davon stammen aus China, und man rechnet offiziell mit zweihundert Millionen Euro, die dem Fiskus pro Halbjahr entgehen ...
. ... Was am Montag entladen wird, kann am Donnerstag in Modena oder Genua verkauft werden oder in den Schaufenstern von Bonn oder Mün­chen zu sehen sein. Ein Großteil der Güter, die auf den italienischen Markt kommen, ist nur als Transit deklariert, aber wie durch Magie wird beim Zoll aus dem Transitvermerk eine Einfuhrerlaubnis. Im April 2005 hat die Zoll­fahndung bei vier fast zufällig in kürzester Zeit hintereinander ausgelösten Durch­such­ungs­ak­tionen 24000 Jeans für den fran­zö­si­schen Markt, 50000 Objekte aus Bangladesh mit der Her­kunfts­be­zeich­nung „Made in Italy" und ungefähr 450000 Puppenfiguren wie Barbie und Spiderman, außerdem wei­tere 46000 Plas­tik­spiel­zeuge in einem Gesamtwert von ungefähr 36 Millionen Euro sichergestellt. ...
Gomorrha (Trailer)
Aber für Saviano ist die Camorra auch ein „soziales Phänomen“. Frauen prü­geln auf Polizisten ein, wenn sie einen Täter verhaften wollen, Ghettokinder bewundern die Camorra-Bosse, die Polizei bleibt außen vor. Der Staat scheint dieser illegalen Parallelwelt nichts entgegenzusetzen haben. Der Hauptgrund dafür ist, dass es für die Menschen in Neapels Armenvierteln keine legalen Wohnungen gibt und keine ehrliche Arbeit. Die Camorra ist der größte Ar­beit­geber Neapels.

Für alles sorgen die Camorra-Clans. Die Bosse lassen Häuser besetzen und teilen Wohnungen zu, sie bieten den Jungen leicht verdientes Geld und „Kar­riere“. Wer „aufsteigt“, kann sich ein Leben in Luxus leisten. Davon träumen die Ghettokinder. Wird einer von ihnen verhaftet oder gar getötet, zahlt die Camorra den Anwalt oder die Beerdigung und leistet eine Art monatlicher „Sozialhilfe" an die Familien.
Nur soziale Sicherheit könnte alle Köpfe dieser Hydra abtrennen..

 
 
ROberto Saviano
Die Schönheit und die Hölle
Gomorrha
Gomorrha, der Film