Film/ Medien

Kaos (1984)
 


Die Brüder Paolo und Vitto­rio Taviani wurden inter­na­tional be­kannt mit dem Spiel­film „Padre pa­dro­ne“ (Mein Vater, mein Herr)". Ein wei­te­rer erfolgreicher Spielfilm war „La notte di San Lo­ren­zo“ (Die Nacht von San Lorenzo), eine Episode aus dem Wider­stands­kampf gegen den Faschismus.
Ich wurde also ein Sohn des Chaos geboren, nicht im übertragenem Sinn, sondern wörtlich, denn ich wurde geboren ...“ / Aus den Fragmenten einer Auto­bio­gra­phie von Luigi Pirandello.
Diese Aussage ist wörtlich zu nehmen, denn Pi­ran­dello wurde auf einem klei­nen Landgut mit dem bemerkenswerten Namen Caos (dt.: Chaos) in einem ärmlichen Vorort von Girgenti/Agrigent geboren.
Der Episodenfilm „Kaos“ von Paolo und Vittorio Taviani aus dem Jahre 1984, Gewinner von einem Golden Globe und zwei David von Donatello, ist ein fil­mischer Bilderbogen, der fünf Novellen von Pi­ran­dello aus den „Novelle per un anno“ zusam­menbringt.
Es sind vier Episoden und ein Epilog, letztlich also fünf Geschichten, die alle in Sizilien spielen. Sie sind untereinander durch die Bilder eines schwarzen Ra­ben verbunden, der über die einsamen Landschaften Siziliens fliegt. Die vier­te Episode „Requiem" wurde aus der italienischen Fassung des Films entfernt.

ERSTE EPISODE: „L'altro figlio" (Der andere Sohn)
Erzählt vom Aufbruch früher sizilianischer Aus­wan­de­rer nach Amerika. Eine alte Frau, eine Witwe, die von vielen für verrückt gehalten wird, will die Hoff­nung nicht aufgeben, mit ihren zwei Söhnen, die vor 14 Jahren nach Amerika auswanderten, und von denen sie nichts mehr gehört hat, Kontakt auf­neh­men. Zum wiederholten Mal versucht sie, einigen Auswanderern einen Brief für die Söhne mitzugeben. Sie weiß nicht, dass der von ihr diktierte Brief nur Unsinn enthält, da ihr vom Schreiber ein übler Streich gespielt wurde. Einer der Auswanderer macht sie darauf aufmerksam und so erzählt sie ihm die Geschichte ihres „anderen" Sohns.

Kaos Novellen für ein Jahr
Kaos (DVD) Novellen für ein Jahr (Luigi Pirandello)

Sie erzählt, wie vor 30 Jahren ihr Mann brutal ermordet wurde, und dass sie anschließend vom Mörder vergewaltigt wurde. Der daraus entstandene Sohn wurde niemals von ihr angenommen. Jetzt wartet dieser immer wieder am Straßenrand auf seine Mutter und hofft, dass sie doch zu ihm findet. Aber das kann die alte Frau nicht. Jedes Mal, wenn sie ihn sieht, muss sie an den Mör­der ihres Mannes denken, von dem der Junge das Spiegelbild ist. Die Frau bleibt allein, immer noch wartet sie auf ihre verlorenen Söhne und lehnt jenen ab, der da ist und sie liebt.
ZWEITE EPISODE: „Mal di luna" (Mondsüchtig)
Kaum mehr als ein Monat nach ihrer Hochzeit entdeckt die junge Isidora mit Entsetzen, dass ihr Mann Batà mondsüchtig ist. Sie wirft ihm vor, dass er sie nicht vor der Hochzeit davon in Kenntnis gesetzt hat. So macht der arme Mann, von der Mutter beraten, einen Vorschlag: Bei Voll­mond würden sie den Cousin Saro bitten, zur Frau ins abgelegene Landhaus zu kommen, um ihr Ge­sell­schaft zu leisten und ihr die Angst zu nehmen. Sie würden sich ins Haus einsperren, während er, Batà, draußen seinen Schmerz zum Mond schreien würde. Danach würde alles wieder wie vorher werden. Isidora wartet mit Sehnsucht auf das Ereignis, denn sie ist heimlich in Saro verliebt und schmach­tet danach, ihren Mann mit dem hübscheren, aber armen Saro zu betrügen. Saro aber tut Batà, der sich draußen in der Nacht sein unermessliches Leid aus der Seele schreit, derart Leid, dass er auf die unmissverständlichen Avancen von Isidora nicht eingeht ...
Aus der Episode „Mal di luna"
DRITTE EPISODE: „La giara" (Der große Krug)
Nach einer sehr guten Olivenernte bestellt der reiche Grundbesitzer Don Lollò (gespielt von Ciccio In­gras­sia) einen riesengroßen Krug. Aber kaum ist der Krug aufgestellt, schon zerbricht er unter ge­heim­nis­vollen Umständen. Zì Dima (Franco Franchi) wird gerufen, der große Krugflicker. Er ist bekannt für das geheime Rezept seines Klebers. Lollò ist miss­trau­isch und verlangt, dass der Krug auch zusätzlich mit Eisendraht geflickt wird.
Zì Dima arbeitet fleißig und schafft es innerhalb kurzer Zeit, den Krug zu re­pa­rieren. Leider bleibt er selbst dabei im Krug eingeschlossen. Nur mit dem Kopf ragt er heraus. Und weil er buckelig ist, schafft es niemand, ihn heraus­zuzerren. Nur wenn der Krug wieder zerschlagen würde, käme Zì Dima wieder frei. Dann müsste er aber don Lollò den Krug zahlen.
Nach langen Hin und Her und viel Spott seitens der Zuschauer gelingt es dem schlauen Zì Dima, den arroganten don Lollò zu überlisten, so dass es dieser selbst es ist, der den Krug zerschlägt.
Aus der Episode „La giara"
VIERTE EPISODE: „Requiem"
Die Bauern in „Requiem" fordern das Recht ein, in der Erde, die sie bebauen, auch begraben werden zu dürfen
EPILOG: „Colloquio con la madre" (Gespräch mit der Mutter)
Im Epilog agiert Pirandello selbst und kehrt, gerufen von der verstorbenen Mutter, ins Elternhaus zurück. Er steigt in Girgenti aus dem Zug und erkennt kaum noch den alten Mann, der ihn mit der Kutsche ins mütterliche Haus bringt. Dort holen ihn tausend Erinnerungen ein. Im alten Salon „sieht" er seine Mutter, die mit gelassener Güte zu ihm spricht.
Eine poetische Szene aus dem Film
Er sieht das Meer durch das Fenster und bittet seine Mutter, ihm von einer Reise zu erzählen, die sie nach Malta mit Luigis kleinen Schwestern unter­nahm, um den Großvater zu besuchen, der dorthin verbannt worden war.