Landschaften/ Orte

I Sassi di Matera

 
2019 ist Matera, eine Stadt aus Höhlen und wür­fel­förmigen Häusern im tiefen Süden Italiens Eu­ro­päische Kulturhauptstadt. Die Ein­wohner jubelten, als ihre Stadt 2014 – zusammen mit der bulgarischen Stadt Plowdiw – den Zuschlag dazu be­kam und Konkurrenten wie Perugia, Ravenna und Sie­na schlug. Kaum zu Glauben, dass die Stadt noch in den 1950er Jahren als nationale Schande“ empfunden wurde.
Freudenausbruch bei der Ankündigung
der Ernennung von Matera
Eröffnungsfeierlichkeiten am 18. 1. 2019:
„Matera Cielo Stellato“ (Sternenhimmel)

Matera ist die Haupt­stadt der gleich­na­mi­gen Provinz die sich in der Re­gion Basilicata (Basilikata) be­fin­det. Die Provinz hat ca. 210.000 Einwohner, die auf einer Fläche von 3.446 km² leben, die Stadt selbst hat ca. 60.000 Einwohner.

Hoteltipps Matera
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Die Aussage „Parkplätze inbegriffen“ kann irreführend sein. Oft sind es nur (kostenlose) öffentliche Parkplätze.

Matera in der süditalienischen Region Ba­si­licata ist berühmt für ihre au­ßer­ge­wöhn­li­che Altstadt, be­son­ders für ihre charakteristischen Siedlungen, die Sassi. Diese Siedlungen, die „I Sassi di Ma­te­ra“ (die „Steine“ von Matera) genannt werden, wur­den 1993 von der UNESCO als Erbe der Mensch­heit unter Denkmal­schutz gestellt.
Matera wurde in der Antike am Rande einer steil abfallenden tiefen Schlucht erbaut. Sie ist eine außergewöhnliche Stadt von atem­beraubender Schönheit. Wer einmal hier war, wird immer wieder kommen wollen. Der mittelalterliche Stadtteil von Matera ist einer der faszinierendsten von ganz Italien.
Seine antiken Ortsteile, die Sassi, sind eine einzige gigantische Skulptur. Ein ur­banes Wunder, dem so viele verschiedene Elemente im Laufe der Jahr­hun­derte durch die his­to­rischen Ereignisse hinzugefügt wurden und deren Epo­chen man gut erkennen kann.
Sassi di Matera
Die Sassi, von denen es in der Umgebung noch mehr gibt, sind ein außer­ge­wöhn­liches Beispiel von Höhlensiedlungen im me­di­terranen Raum. Das bereits seit der Jung­stein­zeit besiedelte Gebiet kann als eine der ältesten Städte der Welt gelten.
Matera ist der einzige Ort auf der Welt, in dem die Be­woh­ner behaupten können, dass sie in den gleichen Häu­sern wohnen, in denen ihre Ahnen vor 9.000 Jahren leb­ten" so for­muliert es, nicht ganz zu Unrecht, der be­rühm­te eng­lische Reiseführer Fodor's.
Zuerst wurde die natür­lichen Höhlen als Wohn­stätten der Menschen dieser Gegend benutzt. Der weiche Tuffstein er­laubte es, das sie weiter ausgehöhlt wurden. Mit dem abgetragenem Stein konnten die Höhlen dann verschlossen werden.
Diese aus Tuffstein-Felsen herausgeschlagene Wohnungen wurden im Laufe der Zeit auch durch Anbauten erweitert, und die Höhlen zu einem stark ver­zweig­ten Komplex von un­ter­irdischen Räumlichkeiten ausgebaut. Die Be­hau­sun­gen besitzen ein ausgeklügeltes Brunnen- und Bewäs­serungs­system das seit der Bronzezeit besteht und seine spuren bis zur heutigen Zeit erhalten konnte.
Sassi di Matera
Daraus ist ein Gewirr von kleinen Gassen, Plätzen, Höhlen und Felsenkirchen ent­stan­den. Die Dächer wurden als Böden für die da­rü­ber liegenden Woh­nun­gen oder als Pfade ge­nutzt. Die Höhlen dienten oft als Stein­bruch um das Ma­terial für den Bau der ge­gen­über­lie­gen­den Vorderfront der ein­zel­nen Woh­nun­gen zu gewinnen.
Das Innere einer Felskirche
Obwohl die Sassi von Matera ein um­fas­sen­des Beispiel von Ver­bin­dung zwi­schen Mensch und Natur darstellten, wurden sie noch bis zum Zweiten Weltkrieg als un­zu­mutbar betrachtet, denn die Men­schen lebten hier in erbärmlichen hy­gie­ni­schen Ver­hält­nissen.
Die Sassi beher­berg­ten bis 1952 ca. 15.000 Einwohner.
Der italienische Schrift­steller und Arzt Carlo Levi verbrachte in den 1930ern (der Zeit des Fa­schis­mus) ein Jahr in po­litischer Verbannung in der Basilicata. In seinem 1945 erschienenem
Christus kam nur bis Eboli
Christus kam nur bis Eboli
Ro­man „Christus kam nur bis Ebo­li“ (1945), in dem er seinen Auf­ent­halt beschrieb, ist auch von den Höhlen Ma­te­ras die Rede. Levis Schwes­ter muss­te, um ihren Bru­der zu be­su­chen, über die­sen Ort fah­ren: „In die­sen schwar­zen Lö­chern mit Wän­den aus Erde sah ich Bet­ten, elen­den Haus­rat und hin­ge­wor­fe­ne Lum­pen. Auf dem Bo­den la­gen Hun­de, Scha­fe, Zie­gen und Schwei­ne. Im All­ge­mei­nen ver­fügt je­de Fa­mi­lie nur über ei­ne sol­che Höhle, und da­rin schla­fen alle zu­sam­men, Män­ner, Frauen, Kinder und Tiere. So leben zwan­zig­tau­send Menschen ... Ich habe noch nie ein sol­ches Bild des Elends erblickt.“ Als Pal­mi­ro Togliatti, Ge­ne­ral­se­kre­tär der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, 1948 in die Stadt kam, war er ent­setzt und nann­te sie eine nationale Schan­de“.
Als Museum original eingerichtete Höhlenwohnung
Nicht zuletzt unter dem Eindruck von Levis Buch (welches 1979 verfilmt wur­de) wurden die Höh­len­wohnungen Materas in Italien wurde der größte Teil der Anlage abgesperrt und sich selbst überlassen. Schließ­lich wur­den die Sassi eva­kuiert und die Bewohner in die neuen Stadt­teile umgesiedelt. Das Stadtviertel verfiel.
Der Sasso Barisano
Erst Ende der 1980er Jahre lernte man den Wert der Sassi wieder zu schät­zen; sie wur­den restauriert und neu aufgebaut und Ma­te­ra zunehmend für den Tourismus er­schlos­sen. Im Jahr 1993 nahm sich die UNESCO der Sassi an, stellte sie unter Denk­mal­schutz und erklärte sie zum Weltkulturerbe.
In solchen engen Verhältnissen lebten
Familien von 10 Personen und mehr
Das eigentliche Wunder von Matera ist, dass die Sassi – im Unterschied zu den meisten historischen Altstädten in Europa – nicht durch Immo­bi­lien­spe­ku­la­tion und Gen­tri­fi­zie­rung umgeformt oder gar in ein „antikes" Dis­ney­land ver­wandelt wurden. Der Groß­teil der Sassi ist inzwischen Eigentum der Stadt. Diese versucht, mit verschiedenen Fi­nan­zie­rungs­plä­nen Mieter zu locken. Wer be­reit ist, ein Haus in den Sassi zu sa­nie­ren, kann mit Sub­ven­tio­nen und gün­stigen Bank­krediten rechnen.
Zahlreiche Bauten wurden inzwischen wieder als (komfortable und hy­gie­ni­sche) Woh­nun­gen her­ge­rich­tet, viele als „originelle" (lese: teuere) Hotels, als Res­tau­rants, Bars, An­den­ken- und Weinläden oder als private Mu­seen. Und so kehrt nach und nach das Leben in die verlassene Stadt zurück. Etwa ein Drit­tel der Sassi sind aber noch immer dem Verfall überlassen.
Heute ziehen die Sassi di Matera Tausende von Forschern, Künst­lern und Touristen in ihren Bann. Es lohnt sich aber auch ein Be­such der neu­e­ren Stadt mit seinen zahl­rei­chen Kir­chen und eleganten palazzi.
Die Chiesa di San Francesco
Rund 3000 Höhlenwohnungen hat man in den Sassi gezählt. Hinzu kommen 162 zum Teil mit farbenfrohen Fresken ausgemalte Höh­len­kir­chen und Ka­pellen. Die Bene­dik­ti­ner und grie­chischen Mönche waren es auch, die neben den zeitweise in den Fel­sen­sied­lungen lebenden Bauern die Entstehung ver­schie­de­ner Wohnviertel prägten. Es gibt wunderschöne Kirchen. Von der romanische Ka­thedrale und der Kirche von San Giovanni bis hin zur barocken Kirche von San Fran­ces­co und dem Purgatorio. Kir­chen Santa Lucia und Madonna delle Tre Porte.
Dass die Stadt UNESCO-Welterbe und Europäische Kulturstadt zugleich ist, ist leider nicht ohne Ne­ben­wir­kungen geblieben: Die Stille, die noch in den 1950ern über die­se Stadt herrschte, ist verloren gegangen. Der Massentourismus ist an­ge­kom­men. Nur die Tat­sache, dass die Stadt am un­ters­ten En­de der ita­lie­ni­schen Halb­in­sel lo­ka­li­siert ist, er­spart ihr das Schick­sal Venedigs.

Pier Paolo Pasolini drehte 1964 die Szene der Geburt Christi in seinem Mat­thä­us­evan­gelium in den Sassi von Matera. Mel Gibson drehte 2004 die Kreu­zi­gungs­sze­ne seines Filmes „Die Passion Christi“ auf dem Hügel auf der ge­gen­über­lie­gen­den Seite der Ma­te­raschlucht. Timur Bekmambetow realisierte 2015 in Matera eine Neuverfilmung von "Ben Hur".
Dronenflug über Matera

Irgendwo in China soll es ein Dorf geben, das sich noch mit den Sassi ver­gleichen lässt, eine dritte Stadt dieser Art gibt es nicht. Es ist der älteste, seit der Steinzeit un­un­ter­bro­chen besiedelte Ort der Erde. Es ist eine prä­his­to­rische Großstadt, die in die Moderne hineinreicht und durch alle Epochen der Ge­schichte hindurch wei­ter­ge­baut wur­de, ein En­sem­ble und Labyrinth von Schluchten, übersät mit ausgebauten und überbauten Höhlen.
 
 
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Gebrauchsanweisung für Apulien und die Basilikata
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Basilikata: Eine kulinarische Reise in das geheime Herz Süditaliens
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