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Der Fall „Aldo Moro“
Aldo Moro (geb. am 23. Sept. 1916 in Maglie, Apulien / gest. am 9. Mai 1978 in Rom) war ein ita­lienischer, christ­de­mo­kra­ti­scher Po­li­ti­ker der 1960er und 1970er Jahre.
Die der Nachkriegszeitgeschichte Italiens enthält eine große Zahl von nie ge­klärten Ereignissen wie Attentaten, Morden, Katastrophen und myste­riö­sen Un­fällen. Im Bewusstsein der Italiener, vor allem jener, die po­li­tische links orien­tier­t sind, sind alle diese Ereignisse nur Beweise dafür, dass die Gesell­schaft von der Mafia, den Geheimdiensten und von Rechtsextremisten unter­wandert ist.
Der Pro­fes­sor für Strafrecht an der Universität Bari und Spitzenpolitiker der Democrazia Cristiana Aldo Moro hatte seit 1955 mehrfach Ministerposten inne gehabt und war von 1963 bis 1968 und einmal von 1974 bis 1976 italienischer Minis­ter­prä­sident.

In den 1970er Jahren hatte in Italien die Kom­mu­nis­tische Partei (PCI = Par­ti­to Co­mu­nista Italiano) eine Stimmenmehrheit und der Staat stand am Rande des Bür­gerkriegs. In diesem politischen Umfeld war Aldo Moro der Ar­chitekt einer äußerst heterogenen Mitte-Links-Koalitionen (das sogenannte Centro­si­nistra) mit den Sozialisten. Darüber hinaus befürwortete Moro auch den so ge­nann­ten „Histori­schen Kom­pro­miss" (Compromesso Storico), womit nichts anderes gemeint war, als das Ziel, die PCI von Enrico Berlinguer mit in die Regierungsverantwortung zu holen.

Als Aldo Moro, der zu diesem Zeitpunkt Parteichef der De­mocrazia Cristiana (DC) war, am 16. März 1978 auf dem Weg zu einer Son­der­sit­zung des Par­la­ments war, wur­de er von be­waff­ne­ten Ter­ro­ris­ten ent­führt. Da­bei wur­den sei­ne fünf Leib­wäch­ter er­schos­sen. Die links­orien­tierten „Roten Brigaden" (Brigate Rosse), die damals unter der Führung von Mario Moretti standen, bekannten sich kurz darauf zur Entführung.
Am 9. Mai, nach 55 Tagen Ge­fan­gen­schaft, wurde die Leiche des Politikers im Kofferraum eines Autos aufgefunden, in der Via Cae­tani, die be­zeich­nen­der­wei­se auf dem halbem Weg zwischen den Par­tei­zen­tra­len der Christ­de­mo­kraten und der Kommunisten liegt. Nachdem die For­derungen der Terroristen nach Frei­las­sung inhaftierter Gesinnungs­ge­nos­sen nicht erfüllt worden waren, war Aldo Moro mit 11 Schüs­sen getötet worden.

Dies sind die nachweisbaren Fakten - doch wie die tatsächlichen Hintergründe waren, das wird man wohl nie mehr erfahren können. Mehr als 40 Jahre sind nach dem Mord ver­gangen, es gab zahlreiche Untersuchungen, Publi­ka­tio­nen, Fil­me, Bücher und Radiosendungen zum Thema. Was damals aber tatsächlich ge­schah, das ist noch immer im Nebel.
Sicher ist nur, dass die Vereinigten Staaten eine Beteiligung an der Macht der zahlenmäßig stärksten kommunistischen Par­tei der westlichen Welt unter al­len Umständen verhin­dern wollten. Es scheint auch gesichert zu sein, dass sie sich zu diesem Zweck der Strukturen von Mafia und Geheimlogen bedienten, da diese besonders im Süden Italiens in starker Gegnerschaft zu den Linken standen.

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1990 wurde enthüllt, dass die USA zu Zeiten des Kalten Krieges auch in Ita­lien mit „Gladio" eine Geheimarmee gegründet hatten, die für den Fall ei­nes kommunistischen Umsturzes mili­tä­rischen Widerstand leisten sollte.
Die Organisation Propaganda Due (P2) wurde ursprünglich 1887 in Rom als freimaurerisches Gegenstück zur Kurien­kongregation „Propagan­da Fide" gegründet. 1944 wurde sie durch Licio Gelli neu gegründet. Die Mitglieder der P2 re­kru­tierten sich aus Führungspersonen der Wirt­schaft, des Militärs, der Politik, der Mafia und der Geheimdienste. Eines der Hauptziele der P2 war, im Fall eines Wahlsiegs der Kommunis­ti­schen Partei Italiens durch einen Putsch die Macht zu übernehmen.
Aldo Moros positive Einstellung zu einem Com­pro­mes­so Storico passte nicht in das Szenario des damals herrschenden Kalten Krieges. Die USA hatten Aldo Moro vor dem Tabubruch gewarnt. Unzählich sind die Spekulationen um die Hin­ter­grün­de und die Umstände der Ermordung Moros. Unter anderem gibt es Hinweise auf die Betei­li­gung der Geheimloge Propaganda Due und von Gladio, der Mafia, der CIA und auch von politischen Gegnern innerhalb der selben Democrazia Cristiana, sogar von Giulio Andreotti.
Die Hintergründe der Tat sind bis heute ungeklärt. Die Unter­su­chungs­kom­mis­sion „Terrorismus und Massaker" (1994-2000) des ita­lie­ni­schen Senats zog folgende Schlüsse: „Diese Massaker wurden von Personen in Institutionen des italienischen Staates organisiert oder unterstützt und von Männern, die mit dem amerikanischen Geheimdienst in Ver­bin­dung standen." Die Terroristen waren nur die Ausführer. Im Jahr 2006 eröffnete die Staatsanwaltschaft wie­der ein Verfahren zum Mord an Aldo Moros.
Moro hatte aus der Gefangenschaft zahlreiche Briefe an seine Partei­freun­de geschrieben, an Abgeordnete und kirchliche Prominenz, in denen er sie bittet, Verhandlungen mit den Ent­führ­ern aufzunehmen. Als er aber zur Erkenntnis kam, dass niemand, auch nicht die Parteifreunde der DC, ihn wirklich finden wollten, dik­tier­te er den „Rotbrigadisten" die Skan­da­le der italienischen Nach­kriegspolitik und ver­fass­te sein eigenes Testament.

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Der US-amerikanische Terrorismusexperte Steve Pieczenik, der als Vertreter der amerikanischen Regierung den Krisenstab während der Moro-Ent­führung beraten hatte, wurde 2006 von Em­ma­nuel Amara für seinen Dokumentarfilm „Les derniers jours d'Aldo Moro“ (Die letzten Tage von Aldo Moro) interviewt und äußerte sich mit folgenden Worten: „Ich bedaure den Tod von Aldo Moro, aber wir mussten die Roten Brigaden instrumentalisieren, damit sie ihn töten .... Als stellvertretender Staats­sekretär der amerikanischen Regierung und persönlicher Berater des italienischen Innenministers war es meine Aufgabe, Italien zu stabilisieren, den Kollaps der Christdemokratischen Partei zu ver­hin­dern und dafür Sorge zu tragen, dass die Kom­mu­nis­ten durch die Ent­füh­rung nicht die Kontrolle der Regierung gewinnen würden.

Der 1986 entstandene Film des Regisseurs Giuseppe Ferrara Il caso Aldo Moro / I giorni dell'ira“ („Die Affäre Aldo Moro / Die Tage des Zorns“) liefert, un­ter Einbeziehung von Originalfilmmaterial, eine in­te­ressante Rekon­struktion der Ereignisse, die auch ein kri­tisches Licht auf die politische Klasse Italiens jener Zeit wirft.

 
 
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