Die Seerepubliken |
Auch heute noch hisst jedes italienische Schiff - ob Fischkutter, venezianisches Vaporetto, Kreuzfahrtschiffe oder Zerstörer – die Flagge mit dem Wappen der mittelalterlichen Seerepubliken Venedig, Genua, Amalfi und Pisa. Jährlich messen sich in einer der vier Städte in einer Ruderregatta sogenannte Galeeren , die von der Gondolieri-Kooperative in San Marco gebaut wurden. |
Man könnte die Bezeichnung
„Seerepubliken" für mehrer italienische Städte
verwenden, die zwischen dem X. und dem XIII. Jahrhundert dank
ihres Handels zu Wohlstand und politischer Autonomie
gekommen waren. Im Allgemeinen wird jedoch die Definition nur auf vier bestimmte
italienische Städte bezogen: Amalfi, Pisa, Genua und Venedig. |
Der wirtschaftliche Aufschwung,
der in Europa um die erste Jahrtausendwende eingesetzt
hatte, hatte wegen der Unsicherheit der Verkehrswege dazu geführt,
dass sich die Handelswege primär entlang der Küsten
entwickelten. In diesem Kontext hatte die zunehmende Unabhängigkeit
der Seerepubliken dazu geführt, dass sie
eine entscheidende Rolle spielen konnten.
Im Machtvakuum des hohen Mittelalters
hatten diese Städte, die den
ständigen Angriffen der Sarazenen ausgesetzt waren, ihre
Verteidigung autonom organisiert und sich starke Flotten zugelegt. |
Amalfi |
Amalfi soll laut Überlieferung, 320 n. Chr. von den Soldaten
Kaiser Konstantins gegründet worden sein. Ab 533 unterstand die Stadt dem Exarchat von Ravenna, genoss aber aufgrund seiner Bedeutung
für Byzanz große Autonomie. Im 9.
Jahrhundert erlangte die Stadt ihre Eigenstaatlichkeit.
Durch geschicktes Taktieren mit den umgebenden Mächten
(Byzanz, den Langobarden, dem Kaiser und dem Papst) gelang
der Stadt der Aufstieg zu einer der führenden Mächte
Italiens. 846 entsendete die Stadt Schiffe zur
Verteidigung Roms vor den Sarazenen. Zusammen
mit den Flotten von Neapel und Gaeta gelang es, die Sarazenen
bei Ostia zu schlagen. Amalfi wurde in der Folge die erste
der „Seerepubliken“. |
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Amalfi
pflegte enge Beziehungen zu Byzanz, und wurde von diesem als Tor
zum westlichen Mittelmeer betrachtet, weshalb amalfitanische
Kaufleute Privilegien bekamen, die ihnen freien Zugang
zu allen Häfen im byzantinischen Reich garantierten. Es waren amalfitanische
Kaufleute, die im Mittelmeerraum jene Strukturen entwickelten,
die typisch für alle Seerepubliken werden sollten: Kolonien
oder Stützpunkte in den wichtigsten Städten des Mittelmeers,
wie Konstantinopel, Córdoba, Beirut, Jerusalem, Alexandrien, Kairo, Zypern und Malta. |
Im 10. Jahrhundert war Amalfi Drehscheibe
im Handel zwischen Orient und Okzident.
Die Seerepublik entwickelte das erste schriftliche Seerecht Italiens,
das noch weit über die Lebenszeit Amalfis selbs hinweg
gltig blieb. |
Im 11. Jahrhundert wurde Amalfi von den Normannen bedroht und durch innere Unruhen geschwächt.
1073 eroberte die Normannen die Stadt. Daraufhin verlor
Amalfi seine Bedeutung. Zwei
verheerende Angriffe seitens der Rivale Pisa 1135 und 1137 beendeten
die Glanzzeit der Stadt. Im den folgenden Jahrhunderten wurde
Amalfi Schlupfwinkel für Piraten.
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Pisa |
 Im
Bündnis mit Genua vertrieben die Pisaner 1016 die Sarazenen aus ihren Siedlungen auf Korsika und Sardinien, die daraufhin zwischen
den beiden Republiken zum Streitobjekt wurden. Ein Jahrhundert später
„befreiten" sie gemeinsam die Balearen.
Pisa lag damals am Meer, an der Mündung des Arno. Die Republik
erreichte den Gipfel ihrer Macht zwischen dem XII und dem
XIII. Jahrhundert, als ihre Schiffe das gesamte westliche Mittelmeer
kontrollierten.
1284 wurde die Flotte Pisas bei Meloria von Genua besiegt,
was zum politischen und wirtschaftlichen Abstieg
der Stadt führt. Pisa musste auf alle Ansprüche
auf Korsika verzichten und ein Teil Sardiniens an Genua überlassen
(1299). 1406 fiel die Stadt dann schließlich an Florenz und schied aus dem Konzert der
Seemächte aus.
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Somit waren nur noch zwei italienischen
Seemächte des Mittelalters übrig geblieben: Venedig
und Genua. |
Venedig |
Die
Macht Venedigs entstand aus der Entwicklung des Handels
mit dem Byzantinischen Reich. Trotz ihrer Unabhängigkeit
blieb Venedig eine Alliierte Bizanz' im Kampf gegen Araber und
Normannen. Um 1000 herum besiegte Venedig die Piraten,
die die Küste Istriens besetzt hielten und brachte die
gesamte Region unter ihren Einfluss. |
Dank der Kreuzzüge und dem daraus
resultierenden Ausbau der Handelsbeziehungen mit dem Orient wurde Venedig einem der größten Handelszentren
des Levantehandels. Die Republik profitierte
von der Teilung des Byzantinischen Reiches 1204 und wurde zu
einer der politisch einflussreichsten europäischen
Mächte im Mittelmeerraum. |
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Weltmacht mit Ruder und Segel: Geschichte der Republik Venedig |
Im 13. und 14. Jahrhundert führte Venedig eine Reihe von Kriegen
gegen Genua, dem bedeutendsten Rivalen im Seehandel.
Bereits 1291 hatten sich die Beziehungen zwischen Genua
und Venedig nachhaltig verschlechtert, 1293 brachen
wieder offene Kämpfe aus. Sieben genuesischen Handelsschiffe
wurden von vier venezianischen Galeeren aufgebracht, woraufhin
Genua Botschafter nach Vebedig entsandte, um den Konflikt friedlich beizulegen.
Nachdem die Diplomatie gescheitert war, brach jedoch ein weiterer Krieg
aus, der durch die Seeschlacht bei Curzola entschieden
wurde. |
Am 7. September 1298 stießen dort 78 Genueser Galeeren
unter Admiral Lamba Doria auf 98 venezianische Galeeren unter
dem Befehl von Andrea Dandolo. Die Genuesen gewannen die Oberhand
und eroberten sogar das venezianische Flaggschiff. Die Venezianer
verloren 84 Schiffe, von denen 18 als Kriegsbeute nach Genua
gebracht wurden. Der berühmteste venezianische
Gefangene war Marco Polo, der in genuesischer Gefangenschaft
sein berühmtes Buch „Il Milione“ schrieb. |
Genua |
774 fiel die bis dahin zu den Langobarden gehörende Stadt Genua zum karolingischen Frankenreich. Nach den Ende der karolingischen Herrschaft in Italien 887 wurde Genua immer wieder von Arabern (Sarazenen) überfallen. Zu dieser Zeit entwickelte Genua eine gewisse Unabhängigkeit und wurde eine Republik mit Konsuln an der Spitze. 936 konnte die Stadt sich gegen die plündernden Sarazenen verteidigen. 958 erkannte Berengar II. (König von Italien / 950–961) Genua formal an. Die
Tüchtigkeit der Genueser auf See, die sie in ihren Verteidigungskriegen gegen
die Sarazenen entwickelt hatten, führte zum raschen Aufbau
einer starken Marine. Gegen die Sarazenen verband sich Genua mit Pisa. Zusammen vertrieben sie 1016 die Sarazenen aus ihren Siedlungen auf Korsika, Sardinien und den Balearen. |
1162 errichteten Genueser einen Stützpunkt an der afrikanischen
Küste, 1253 einen westlich der Meerenge von Gibraltar.
1277 eröffneten sie die ersten Seeverbindungen von Spanien
mit Flandern und England. Genueser Kaufleute handelten schon
vor dem Ende der Reconquista in Spanien mit Olivenöl, Wein,
Thunfisch, Leder und Seife in Cádiz, Granada, Lissabon,
Málaga und Sanlucar. |
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Genua aber war mächtiger. Geschichte einer Seemacht |
Die eroberten Gebietn auf Sardinien führten
zu
langen Seekriegen mit Pisa, die schließlich katastrophal
für Pisa ausgingen (o.g. Seeschlacht bei Meloria). Mit
nicht weniger Gewandtheit als Venedig nahm Genua all
die Gelegenheiten des umfangreichen Speditionsverkehrs
zwischen Westeuropa und dem Nahen Osten wahr, die sich durch
die Kreuzzüge ergaben. Die den Sarazenen entrissenen Seehäfen
an der spanischen Küste und die ägäische Insel
Chios wurden Genueser Kolonien, während in der Levante,
an den Küsten des Schwarzen Meeres und entlang den Ufern
des Euphrat starke Genueser Festungen errichtet wurden. |
Der Erfolg Genuas in Handel und
Seefahrt im Mittelalter konnte stattfinden, obwohl die Republik ständig
von inneren Uneinigkeiten geplagt wurde. Einerseits kämpften die einfachen Bürger gegen die Adeligen, andrerseits kämpften rivalisierende Parteien unter diesen
(wie die Familien Spinola und Doria) um die Macht im Staat. Aus diesen Kämpfen zwischen rivalisierenden
Adligen wurde
Genua bald in den Strudel der guelfischen und ghibellinischen
Parteien hineingezogen; aber die Anerkennung ausländischer
Autoritäten nacheinander Deutsche, Neapolitaner
und Mailänder machte ihnen 1339 den Weg zu einem
unabhängigeren Staat frei. |
Die Jahrhunderte währende Konkurrenz mit Venedig fand schließlich nach vier Seekriegen im Chioggia-Krieg durch die endgültige Niederlage Genuas 1381 ein Ende. |
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