Essen und genießen

Im Restaurant in Italien

Es war einmal ...
Der Tradition nach be­steht ein ita­lie­ni­sches Es­sen, ob zu Hau­se oder im Res­tau­rant ein­ge­nom­men, aus meh­re­ren Gän­gen. Kein Wun­der al­so, wenn der Kell­ner zu­erst eine Vor­spei­se („antipasto“) vor­schlägt, und an­schlie­ßend, wenn man „il primo“ (den ersten Gang) gegessen hat, die Frage stellt: „Di se­condo cosa le porto?“ (Was darf ich Ihnen als zweiten Gang bringen?). Das war früher, be­sonders in den „bes­se­ren“ Restaurants ein absoluter (und teurer) Zwang. Den Schluss machten Obst oder/und Käse („frutta“ / for­maggio“).
Der in nördlichen Gefilden übliche „piatto unico“ (Kom­plettgericht), ein über­quel­len­der, satt ma­chen­der Teller mit Fleisch, Bei­lagen und Salat gibt es in Italien nicht. Der „primo“ ist üblicherweise ein Nudel- oder Reis­gericht (eher sel­tener eine Suppe), der „secondo“ besteht meistens aus Fleisch oder Fisch. Beilagen – niemals Nudeln oder Reis! – wie Kartoffeln (seltener), Ge­mü­se oder Salat muss man extra zum Fleisch bestellen.
Irritierend, aber zugleich amüsant, kann es wer­den, wenn man in Italien in ei­nem chinesisches Res­tau­rant speist. Denn die Fixierung auf die „Gänge“ macht es fast unmöglich, den Reis zu­sammen mit dem Fleisch­gericht zu bekommen. Er wird un­aus­weich­lich allein, nämlich als „primo“, serviert.
Mit dem Steigen der Preise und dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein der Italiener wird heut­zutage die Sitte der Gängereihenfolge von den Ita­lie­nern nicht mehr so ernst genommen. So überspringt man öfters die antipasti, teilt sich den „pri­mo“, oder nimmt nur den „secondo„. Nach wie vor unüblich ist es aber, nur das Pasta-Gericht zu nehmen. Zumal die Portionen nur selten die Dimen­sio­nen der „primi“ in den – längst angepassten – italienischen Res­taurants in deutschsprachigen Ländern erreichen.

Il coperto
Eine größere Gruppe deutscher Touristen in einem Restaurant in Italien: Wenn es zum Zahlen kommt, rechnet jeder peinlichst genau an­hand der Spei­se­kar­te aus, was er zu zahlen hat. Nur schade, dass dabei niemand an das „coperto“ denkt, eine Art „Grundgebühr“, die unab­hängig von den kon­su­mier­ten Spei­sen erhoben wird. Peinlich! Die Rechnung scheint nicht zu stimmen, nicht selten gibt es Streit zwischen den Gästen oder bitterböse Kom­men­tare über die „Ehrlichkeit“ der Italiener.
Pizza?
Aufgepasst! Während in den italienischen Res­tau­rants im Ausland Pizza nur selten (wenn überhaupt) auf der Speisekarte fehlt, ist dies in einem „ris­to­rante“ (Restaurant), in einer „osteria“ (etwa Schenke, Wirtshaus) oder in einer „trattoria“ (einem Gasthaus) in Italien der Normalfall, be­son­ders abseits der Fremden­ver­kehrs­ge­gen­den. Besser also eine „pizzeria“ oder ein „risto­rante-pizzeria“ aufsuchen, oder sich auf der Speise­karte zu ver­gewissern.
In einer „osteria“ findet man eine nicht sehr um­fang­rei­che Speisekarte mit einfachen Gerichten. Merkwürdigerweise schmücken sich in letzter Zeit immer mehr Edelrestaurants mit diesem Namen. Allergrößte Vorsicht ist geboten, wenn das Lokal sich als „Hostaria“ bezeichnet, oder gar als „Antica Hos­taria“. Dann sind Nepppreise äußerst wahr­schein­lich. Oft verbergen sich recht durch­schnitliche Lokale hinter solchen Namen, die allein dem Kundenfang dienen.

Speisekarte-Glossar Osterie d'Italia 2019/20: Über 1.700 Adressen, ausgewählt und empfohlen von SLOW FOOD Kulinarisches Wörterbuch
Speisekarte-Glossar
Italienisch/ Deutsch
Osterie d'Italia 2019/20: Über 1.700 Adres­sen, aus­ge­wählt und emp­foh­len von SLOW FOOD
Essen und Trin­ken in Ita­lien. Das ku­li­na­ri­sche Wör­ter­buch für unterwegs

Eine „trattoria“ entspricht etwa den „Gasthaus“. Vom Niveau ist eine trattoria etwas gehobener als die manchmal sehr einfache „osteria„. Nicht selten ist eine „trattoria“ auf die lokale bzw. regionale Küche eingestellt. Eine wirkliche, im allgemeinen auch preiswertere Alter­na­ti­ve zum „ristorante“. Aber Achtung! Auch hier kann dem Gast auf eine „antica trattoria“ stoßen, die außer hohe Preise wenig zu bieten hat.
In letzter Zeit sind viele Bars, vorwiegend in den großen Städten des Nor­dens, dazu übergegangen, außer den klassischen „tramezzini“, die als klei­ner Imbiss zwischendurch fungieren, auch „pizzette“ (kleine Piz­za­stücke), Nudel- oder Reis­gerichte und Salate anzubieten.

Weitere Speiselokale
Eine „Birreria“ ist ein Bierlokal, wo es einfache Gerichte in allen Varianten gibt.
Enoteca ist eine Kombination aus Weinhandel (einer Art Probierstube) der gehobenen Art und Gastronomiebetrieb, in der Weine und Feinkost­spe­zia­li­täten verköstigt und ggf. eingekauft werden können.
Paninoteca ist ein Schnellimbiß mit „panini“ (be­legten Broten) und ande­ren Kleinigkeiten. Achtung Sprache:panini“ ist die Mehrzahl von „panino“, also bitte niemals „un panini“ bestellen!
Rosticceria ist im Wesentlichen ein Fein­kost­la­den, in dem man kalte und warme Gerichte (vor­nehm­lich „arrosti“ = gebratene Speisen) kaufen oder sofort verzehren kann. Die meisten „ros­tic­cerie“ bieten dazu entsprechende Sitz­ge­le­gen­hei­ten (oft nur Tresen und Hocker).
Tavola calda ist ein Schnellimbiss mit warmen Speisen.
Fast Food
McDonald's & Co gibt es in Italien inzwischen - leider! - auch, und diese Ess­lokale unterscheiden sich überhaupt nicht von ihrer gleichnamigen Filialen in London, New York oder Mün­chen. Glücklicherweise ist ihr Siegeszug bisher nicht ganz so triumphal wie in den mitteleuropäischen Län­dern gewesen. 2005 gab es auf deu­tschem Boden 1264 McDonald's-Restaurants mit 848 Millionen Gäste. In Italien hatte das Un­ter­neh­men im selben Jahr 180 Millionen Gäste in 340 Res­tau­rants. Die Ant­wort der Traditionalisten auf das Überhandnehmen des „Junk Food“ war die Slow-Food-Bewegung.
In diesem erwähne ich gerne eine Geschichte, die sich im süditalienischen Städtchen Altamura ereignete. McDonald's hatte dort eine Filiale er­öffnet. Es dauerte abe nicht lange, da wurde das M-Schild wieder abmontiert und die Filiale geschlossen. Ein Bäcker der Familie Digesù hatte dem Fast-Food-Giganten Paroli geboten. Er mietete einen kleinen Laden neben McDonald’s und bot dort ein komplettes Essen aus frischer, selbst ge­backener Focaccia und einem Dessert an. Trotz der Promotions von McDonald's be­vorzugten die Leute von Altamura die Focaccia der Familie Digesù.

Spaghetti
Es ist keineswegs verpönt, sich beim Essen von Spaghetti tief über den Teller zu beugen. Aber zerschneiden Sie nie Ihre Spaghetti mit dem Messer! Essen Sie auch nicht Spaghetti mit Löffel und Gabel! Auch wenn Ihnen der Kellner mit einem schel­mi­schen Lächeln den Löf­fel reicht. Beim Essen der Spaghetti wird ausschließlich die Gabel verwendet. Mit der Gabel werden die Nudeln auf­gerollt (es fällt leichter, wenn es am Tellerrand geschieht).
In einem Internet-Blog konnte ich vor einiger Zeit fol­gen­des lesen: „non ho niente in contrario a che uno mangi gli spaghetti col cucchiaio, a patto, ovvia­mente, che poi gli si revochi la cittadinanza italiana“ (Ich habe nichts dage­gen, dass jemand sich eines Löf­fels bedient, um Spaghetti zu es­sen, voraus­ge­setzt, natürlich, dass dieser Person die italienische Staats­an­gehörigkeit aberkannt wird).
Keine Regel ohne Ausnahme:
In Süditalien, besonders in Kampanien und Kala­brien, ist das Zurhilfenehmen des Löffels durchaus üblich. Des öfteren kann man hören, dass jemand (aus dem italienischen Süden) sagt: „Mein Groß­vater ... meine Großeltern .. hat/ haben den Löffel dazu benutzt.“ Daraus könnte man schließen, dass sich die (Knigge-)Art, Spaghett nur mit der Gabel zu essen, auch in Süditalien durch­setzt.

Die italienischen Momente im Leben: Eine Reise durch das schönste Land der Welt Fettnäpfchenführer Italien: Wie man so tut, als sei man Italiener
Die italieni­schen Mo­men­te im Le­ben: Ei­ne Rei­se durch das schön­ste Land der Welt
Fettnäpfchenfüh­rer Ita­lien - Wie man so tut, als sei man Ita­liener
Der Silberlöffel:
vollständige Neuausgabe


Daran sollten Sie sich halten
Selbst wenn das Restaurant halb leer ist, sollte man sich nicht einfach an ir­gendeinen freien Tisch setzen, sondern immer auf einen Kellner war­ten, der einem den Tisch zuweist, bzw. vorschlägt.
Dass das Rauchen in allen öffentlichen Räumen in Italien verboten („vietato fumare“) ist, dürfte sich längst herumgesprochen haben. Also selbst­ver­ständ­lich auch dort, wo man essen will. Und die Italiener halten sich tatsächlich daran!
Nach dem Essen ist für den Italiener der „caffè“ eine Pflicht­übung. Will man beim Kellner nicht als Ba­nau­se gelten – er wird es einem aber aus Höflichkeit niemals spüren lassen! –, bestellt man lieber keinen Cap­puc­ci­no. Dieser wird in Italien nämlich fast ausschließlich am Morgen ge­trunken. Fragen Sie aber nicht nach den Grund. Sollte es stimmen, dass Milch nach dem Essen den Ver­dauungsprozess blockiert, dann müsste eigentlich auch das Eis als Mahl­zeit­abschluss verpönt sein.
Das liebe Geld
Will man den Unmut des Kellners auf sich lenken, braucht man nur am Ende eines Essens getrennte Kasse für die einzelnen Tischgäste zu verlangen. In Italien ist es üblich, die Rechnungssumme auf die Gäste gleichmäßig auf­zu­tei­len und dabei Groß­zü­gig­keit zu zeigen. Wenn jemand etwas weniger ge­ges­sen oder getrunken hat, rechnet er nicht exakt seinen Anteil nach, will er nicht als geizig und pedant gelten. Dabei nehnem Italiener notorische Schnorrer (meistens) mit einem Achselzucken in Kauf.
In der „Burger Bar“ in Mailand werden die Gäste sogar explizit darauf ver­wie­sen, dass keine ge­trenn­te Rechnungen ausgestellt werden!
Trinkgeld ist in Italien nicht nur nicht obligatorisch, sondern auch noch kaum üblich, außer vielleicht in ei­ni­gen „besseren“ Restaurants, die der Tourist sowieso meiden sollte. Wenn man aber trotzdem ein kleines „Dankeschön“ zeigen will, wird es sicher auch gerne gesehen. Aber Achtung: Tun Sie es auf jeden Fall unauffällig, keine Summe nennen, bzw. während des Zahlens aufrunden. Das wirkt nur demütigend. Einfach beim Weggehen auf dem Tisch liegen lassen!
Die „ricevuta fiscale„: Um die Steuer­hin­ter­zieh­ung in Grenzen zu halten, hat der italienische Staat die sogenannte „ricevuta fiscale“ (R.F.) ein­geführt, ei­nen Kassenbon, zu dem der Res­tau­rant­in­ha­ber ver­pfli­chtet ist. Achtung: Es darf kein Hand­ge­schrie­be­ner Zettel sein! Die R.F. muss unter anderem die „partita I.V.A.“ enthalten, die Um­satz­steu­er-Iden­ti­fi­ka­tions­num­mer. Besteht der Kunde nicht auf die R.F., hilft er dem Res­tau­rant­be­sit­zer, den italie­ni­schen Staat zu betrügen. Es kann übrigens sehr leicht ge­sche­hen, dass in der Nähe des Restaurants von einem Steuerfahnder nach der R.F. gefragt wird. Und wenn man sie nicht vorzeigen kann, ist eine Strafe fällig - auch für den Kunden.!
 
 
Essen und Trinken in Italien. Das kulinarische Wörterbuch für unterwegs
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