Essen und genießen

Il bar (die italienische Bar)

Seitdem ich von Italien nach Mün­chen gezogen bin, vermisse ich zwei Dinge ganz besonders: das Meer und die italienische Bar. Dieser Ort der Geselligkeit hat in Deutschland nichts Entsprechendes, am ehesten gäbe es ein paar Gemeinsamkeiten mit dem Wiener Kaffeehaus. Aber das wäre eine ganz andere Geschichte.

In keinem anderen Land gibt es so viele Bars wie in Italien – es soll mehr als 150.000 davon geben. Sie sind von Nord bis Süd und vom kleinsten Dorf bis in die großen Städte über das ganze Land ver­streut. Keine Straßenecke ohne eine eigene Bar. Bars sind in Italien eine wichtige Institution der Kultur und Geselligkeit.

Italienische Bar
Die italienische Bar hat mit dem, was man in Deutschland oder Amerika unter Bar versteht, wenig bis nichts Gemeinsames. Es handelt sich näm­lich keines­wegs um ein Lokal mit schummriger Beleuchtung, in dem man sich abends trifft, Alkoholika trinkt und Kontakte sucht. Ganz im Gegenteil: Ita­lienische Bars sind meist hell und einladend, zur Straße hin offen und es gibt sie an jeder Straßenecke. Im Sommer bieten viele Bars auch eine Fläche mit Stühlen und Tischen im Freien an.

Die Bar ist eine Institution, die vieles vereint. Sie kann als Treff dienen, als Stammkneipe, als Schnellimbiss oder als Ort, in dem man auf die Schnelle sein Frühstück einnimmt, das in Italien meist nicht sehr umfangreich ist, da es aus einem cappuccino und wenig mehr besteht. Traditionell isst man eine so genannte brioche dazu (die etwa dem französischen Croissant ent­spricht) oder ein Stück focaccia. Zu allen anderen Tageszeiten trinken die Italiener eher einen caffè (der inzwischen nur au­ßer­halb Italiens „Espresso“ genannt wird).

Der ist der Wachmacher nach dem Mittagsessen oder einfach eine Aus­rede, um fünf Minuten aus dem Büro zu verschwinden und mit dem barista (Barmann) ein Pläuschchen zu halten. Es ist auch im heutigen Italien keine Seltenheit, dass man sich vom „ragazzo“ der Bar sogar den Kaffee ins Büro (ufficio) bringen lässt. In Italien hat noch ein wenig der alten Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft überlebt.

Trinkt man seinen Kaffee oder nimmt man seinen Imbiss nicht an der Theke sondern an einem Tisch zu sich, so wird ein geringer Bedienungszuschlag verlangt.

Caffè all' italiana 111 Gründe, Italien zu lieben - Eine Liebeserklärung an die Kunst zu Leben
Stefano Benni
Caffè' all'italiana 111 Gründe, Ita­lien zu lie­ben. Eine Lie­bes­er­klä­rung an die Kunst zu Leben Brot und Unwetter
(Stefano Benni)

Gegen Abend steigt die Geselligkeitsfunktion der Bar. Dann trifft man sich nämlich zum aperitivo (Aperitif). Man hat die Wahl zwischen alkoholfreien und alkoholischen aperitivi und jede Bar schwört auf ihre eigene (geheime) Mischung. Zu den Aperitifs werden meistens Oliven, Chips, winzige Pizza­stücke oder andere Appetithäppchen gereicht.

In letzter Zeit hat sich in Italien aber auch eine Art All-inclusive-Aperitif durch­ge­setzt, bei dem man für einen festen Preis (etwa 7 bis 10 Euro) zum Aperitiv eine größere Vielfalt von Bei­lagen zur Verfügung hat, wie kleinere antipasti (Vorspeisen), Reis- und Pasta­ge­richte, Quiche und Gemüsetorten an, alles im Preis inbe­griffen, auch bei mehrfacher Selbst­be­die­nung. Das kann schon fast ein kleines (preis­wer­tes) Abendessen werden. Man nennt es daher „aperitivo cena“ (Abendessen-Aperitif), „apericena“ oder einfach „Happy Hour„.

Italienische Bar
Was die Imbisse betrifft, die man jederzeit in den Bars findet, so sind sicher die tramezzini (kleine Sandwichs aus entrindeten und diagonal zu kleinen Dreiecken geschnittenen Toastbrot­schei­ben) die beliebtesten, neben der be­reits erwähnten focaccia, den panini (normalen Sandwichs), Pizza-Stücken und kleinen Süßgebäcken.

In manchen Bars kann man sogar Zigaretten – Ach­tung: Rauchverbot! – und Fahrkarten der öf­fent­li­chen Verkehrsmittel kaufen. Als es in Italien noch keine Telefonhäuschen und schon gar keine Handys gab, war die Bar fast die ein­zi­ge Möglichkeit, öffent­lich zu telefonieren. Dazu verwendete man sogenannte gettoni (Telefon­mün­zen).
Sind sie bei Freunden zum Abendessen eingeladen und möchten noch schnell ein kleines Mitbringsel besorgen, auch wenn alle Geschäfte bereits ges­chlos­sen sind? Da sind sie in einer Bar gerade rich­tig: mit einer Flasche Wein oder Sekt, einer Packung Pralinen oder mit köstlichen pasticcini (Feingebäck).

Mal von den Bars abgesehen, die ein Hinterzimmer haben, wo man stun­den­lang Karten oder - seltener - auch Billard spielen kann, ist ein Aufenthalt in den Bars immer von kurzer Dauer. In den Wohnvierteln und in der Provinz kann das auch anders sein. Dort ist die Bar schwerpunktmäßig der Treffpunkt (in der Regel Männertreff), wo man Stunden ver­bringt, die Zeitung liest und heiße Diskussion über Sport, Politik und Frauen führt.

Von allen Geschäften hat die Bar die längsten Öff­nungs­zeiten. Viele Bars öff­nen um 6 Uhr in der Früh und schließen um Mitternacht.
 
 
Italienische Caffè-Bars. Immerwährender Monumentalkalender
Italienische Caffè-Bars. Immer­wäh­ren­der Monu­men­talkalender
 
Caffè d' Italia 2020: Wandkalender
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