Essen und genießen

Italian Sounding

Man findet sie in jedem Lebensmittelladen und in jedem Supermarkt: Produk­te, die „ita­lienisch“ aussehen. Auf den Ver­pa­ckun­gen ist die italienische Flag­ge zu sehen, häufig ist auch das Wort „italiano“ in irgend einem Zu­sam­men­hang zu lesen. Der Produktname klingt selbstverständlich italie­nisch, Ab­bil­dun­gen von italienischen Land­schaf­ten zieren die Verpackung oder irgend etwas, was eine Asso­ziation zu Italien erzeugt. Und das, ob­wohl die Produkte nicht unbedingt aus Italien stammen.
Der Kon­su­ment wird so in die Irre geführt. Es ist statistisch erwiesen, dass 99 % po­ten­tiel­ler Käufer zugreifen, weil sie den­ken, es seien Produkte aus Italien.
Falls auf der Verpackung im Kleingedruckten „hergestellt in Deutschland“ zu Lesen ist, ist der Konsument mit einer Maskerade kon­fron­tiert, die nur dazu dient, Pro­duk­te bes­ser zu vermarkten. Dieses Phänomen wird, Italian Sounding genannt und trifft vor allem auf Lebensmittel zu, findet sich aber auch im Mode- und Design­sektor. Es ist ein vor­ge­täusch­tes Made in Italy. Nir­gend­wo auf der Welt wird so viel „Mozzarella“ pro­du­ziert wie in Deutschland, um nur ein Beispiel zu nennen.

BEISPIEL: Das folgende Produkt täuscht zwar nicht vor, ein Made-in-Italy-Produkt zu sein – die Herkunftsangabe ist kor­rekt –, aber der Name „Bella Pasta“ möchte diesen Eindruck erwecken. Ein Name übrigens, der in ita­lie­nischen Ohren so falsch und lä­cher­lich klingt wie es die Namen „Schönes Bratwurst“ oder „Gut Kraut“ bei einem tra­di­tio­nellen deut­schen Produkt wären.

In den letzten Jahren haben die italienischen Agrar- und Lebensmittelex­por­te deutlich zu­genommen und 2018 einen Wert von 41,8 Milliarden erreicht. Die USA und Kanada ge­hö­ren ebenfalls zu den zehn wichtigsten Ex­port­des­ti­na­tionen. Laut Coldiretti ist der Umsatz pseudo-italienischer Lebens­mit­tel in den letzten zehn Jahren in der Welt um 70% auf über 100 Milliarden Euro ge­stie­gen, was dem Dreifachen des Wertes der italienischen Lebens­mit­tel­ex­porte entspricht.


BUCHTIPP:
Geschützte Ur­sprungs­be­zeich­nungen bei Le­bens­mit­teln: Wie kann die einheimische Land­wirtschaft in Zeiten glo­balen Handels überleben? Wie las­sen sich die ty­pi­schen Ei­gen­schaf­ten eines Weins oder Fleisch­pro­dukts be­stim­men? Wie kön­nen sich die Pro­du­zenten ge­gen Nach­ah­mun­gen verteidigen?

Die im Ausland am meisten nachgeahmten Produkte sind Saucen, Öl, To­ma­ten, Wein, Käse, Salami und Fertiggerichte. Am stärks­ten von dem Phä­no­men der Nach­ah­mung betroffen sind hauptsächlich DOP- und IGP-Produkte. Italian Sounding betrifft 97% der Nudelsaucen, 94% der Konserven in Öl und Essig, 76% der Toma­ten­kon­serven und 15% der Käsesorten.

BEISPIEL: Ähnlicher Fall wie bei der Pasta: korrekte Herkunftsangabe, aber mit der ver­lo­ckenden italienischen Bezeichnung „Pro­sciut­to cotto“. Alles im Rahmen der Gesetze, Ob es ge­schmack­li­che Ähnlichkeiten gibt, sei da­hin­gestellt.

Ein weiteres Beispiel für „Italien Sounding “ ist der Aceto Balsamico. Zahl­rei­che deut­sche Hersteller bezeichnen ihren Essiig mit diesem Namen, statt ihn (beispielsweise) „Bal­sam­essig“ zu nennen.
Italienische Hersteller verlangten deshalb vor Gericht die Entfernung der Be­zeich­nung „Bal­samico“ von deutschem Essig. Der Eu­ro­pä­ische Gerichtshof entschied aber das die Na­men „Balsamico“ und „Aceto“ als Gat­tungs­be­zeich­nungen nicht geschützt sind. Der Begriff „Aceto Balsamico“ stellt als Teil der ge­schütz­ten geographischen AngabeAceto Balsamico di Modena“ lediglich eine Gat­tungs­be­zeich­nung dar. Geschützt ist somit lediglich die Bezeichnung als Ganzes.
Ähnliche Beispiele gibt es zum Leidwesen italienischer Produzenten sehr viele. So ist der Name Mozzarella nicht geschützt (wohl aber die Bezeichnung Mozzarella di Bufala Cam­pa­na). Außerhalb Italiens gezüchtete San-Mar­zano-Tomaten dürfen siesen Namen tra­gen (nicht aber Pomodoro di San Marzano dell'agro sarnese nocerino). Alle Pasta-Na­men (Spaghetti, Fusilli, Penne, Paccheri, maltagliati, etc.) gelten auch nur als Gat­tungs­be­zeich­nung und sind somit frei verwendbar.

Man muss also das Thema Italian Sounding vom Thema Pro­dukt­fäl­schung trennen, bzw. von der Verletzung von Rechten des geistigen Ei­gentums wie Mar­ken­rech­ten. Kein anderes EU-Land hat so viele Lebensmittel mit dem EU-Siegel „Geschützte Ur­sprungs­be­zeich­nung“ wie Italien. Dieses Label soll regionale Köstlichkeiten vor Le­bens­mittel-Piraten schützen.
Zu den 823 Produkten in Italien gehören Wein aus Chianti und Schinken aus Parma genauso wie unbekanntere Produkte, wie Linsen aus Norcia in Umbrien oder Basilikum aus Genua. Man kann nicht einfach Wein ir­gendwo in Europa herstellen und ihn Pro­secco nennen, ohne mit dem Gesetz in Kon­flikt zu ge­raten.
De Chinesen produzieren zwar einen Par­ma­schinken (dazu gründeten sie kur­zerhand eine Siedlung namens „Parma“), aber das reicht nicht, um es in der Eu ver­trei­ben zu dürfen, denn das strenge EU-Siegel schreibt vor, dass das Fleisch aus Provinzen in Nord- und Mittelitalien kommen muss.

Zwischen Italian Sounding und der direkten Produktfälschung gib es den Grau­be­reich der Irreführung (die Gesamtaufmachung eines Le­bens­mittels darf nicht über dessen Herkunft täuschen) und des unlauteren Wett­be­werbs.

2015 gründeten die zwei italienischen Han­dels­kammern in Deutschland und der ita­lie­nische Landwirtschaftsverband Conf­agri­coltura in Rom den Verein Italian Soun­ding, um Made in Italy auf dem deutschen Markt zu schützen.
Eine der wichtigen Aufgaben des Vereins ist, gegen irreführende Wer­bung und unlauteren Wettbewerb konsequent vorzugehen. Italian Soun­ding will nicht nur vor Gericht für die Authentizität italienischer Produkte kämpfen, sondern mit Marktanalysen, Ver­öf­fent­li­chun­gen und Öffent­lich­keits­arbeit die deut­schen Verbraucher für dieses italienische An­lie­gen sensibilisieren.

FEINKOST-SPEZIALITÄTEN: Der Prä­sent­korb ist eine Zu­sam­men­stel­lung der bes­ten ita­lie­ni­schen De­li­ka­tes­sen nach den ori­gi­na­len Re­zep­turen des Fa­mi­lien­un­ter­neh­mens Gepp’s.

Auf der Lebensmittelmesse ANUGA schlug 2015 der Verein zum ersten Mal zu. Einem ägyp­ti­schen Pasta-Hersteller wurde vom Landgericht Köln ver­bo­ten, in Deutsch­land die Bezeichnung „Milano“ und „San Remo“ zu verwenden, weil das Produkt nicht in Italien hergestellt worden war und somit die Pro­dukt­bezeichnung nicht im Sinne des Wett­be­werbs­rechts, sondern irre­führend war.
Auch Lidl bekam Ärger, weil die Focaccia-Verpackung eines holländischen Un­ter­neh­mens mit der Eigenschaft „italienisch“ in Lidl-Läden beworben und verkauft wurde.

Neben den geschützten Produktnamen von Produkten mit geschützter geographischern Angabe gibt es bereits EU-Vorschriften für eine obli­ga­to­rische Ur­sprungs­kenn­zeich­nung für mehrere Agrarerzeugnisse, u.a. für Honig, Obst, Gemüse, unverarbeiteten Fisch, Olivenöl, Wein, Eier und Rindfleisch. Zudem ist die Herkunftskennzeichnung bei vor­ver­packtem (frischem, gekühltem oder ge­fro­re­nem) Fleisch (Schwein, Schaf, Ziege, Ge­flü­gel) bereits verpflichtend. Das gilt jedoch nicht für Fleischzubereitungen und Fleisch­er­zeugnisse, so z.B.. nicht für Wurst und nicht für verarbeitetes Fleisch, das als Zutat in Lebensmitteln verwendet wird. Da gibt es noch viel zu tun!
 
 
 
La cucina verde
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