Essen und genießen

Das Spaghetti-bolognese-Missverständnis

Ich spreche hier nicht von der Wortschöpfung „Spa­ghetti Bolognese“ oder gar von ihrer fran­zö­si­schen Variante „Spaghetti bolognaise“ (korrekt wäre „spa­ghetti alla bolognese„). Nein, das ist nicht schlim­mer, als wenn man Chianti „Tschanti“ aus­spricht. Ich wun­de­re mich aber, dass es nie­man­dem auf­ge­fal­len ist, dass in Ita­lien kei­ne die­ser Be­zeich­nun­gen jemals auf einer Speise­karte zu finden ist.
Es gibt, in anderen Worten, in Italien kein Gericht, das spaghetti alla bolo­gnese heißt.
Bolognese
Es gibt wohl ein ragù alla bolognese, ei­ne der weltweit bekann­testen ita­lie­nischen Soßen, deren Rezept sogar von der Accademia Italiana della Cu­cina und der Confraternita del Tortellino (Tor­tel­li­ni-Bruderschaft) bei der Han­dels­kam­mer von Bologna hinterlegt wurde.
Wie merkwürdig, dass dieses ragù außerhalb Italiens meistens zu Spaghetti gereicht wird, mit aller Wahr­scheinlichkeit die einzige Nudelart, die in Bologna niemals mit ragù serviert wird.
Der ragù alla bolognese wird in Bologna nämlich traditionell mit Ta­gliatelle gegessen oder (zusammen mit Bechamelsoße) bei der Zu­be­rei­tung von Lasagne al forno ver­wendet.
Bolognese

Ein italienisches Wochenmagazin warnte einmal seine Leser davor, im Aus­land ein Gericht mit „ragù alla bolognese“ zu bestellen. Besonders in den an­gel­sächsischen Ländern sei, so das Magazin, das Vermurksen dieser Soße durch scharfe Chilis, Hühnerleber, geräucherten Bacon, Balsamico-Essig und „meat balls“ weit verbreitet.
Um dieses weltweit am Häufigsten misshandelte italienische Rezept zu retten, be­rei­te­ten am 17. Januar 2010 im Rahmen der Giornata Mon­dia­le del­le Cu­ci­ne Ita­liane („Welttag der italienischen Küche“) 440 Chefköche in 50 Ländern gleich­zeitig den „ragù“ in seiner Originalform zu.

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In der Folge das Originalrezept, wie es am 17. Oktober 1982 von der Acca­de­mia Italiana della Cucina bei der Han­dels­kam­mer von Bo­lognahinterlegt wurde.

RAGÙ CLASSICO BOLOGNESE
Zutaten

Rindfleisch grob gehackt - 300 g
Pancetta stagionata (nicht geräuchert!) - 150 g
Karotte 50 g
Stangensellerie 50 g
Zwiebel 50 g
Geschälte Tomaten 300 g
1/2 Glas trockenen Weißwein
1/2 Glas Vollmilch
Ggf. ein Schuss Sahne
Etwas Gemüsebrühe
Olivenöl oder Butter
Salz, Pfeffer

Obwohl außer auf der deutschen Wikipedia-Seite (Hut ab!) in den meisten deutschen Kochwebseiten Knoblauch (und dies nicht wenig) in der Liste der Zutaten steht, mache ich darauf aufmerksam, dass im ragù alla bolognese kein Kno­blauch vor­gesehen ist. Auch im ähnlichen traditionellen Rezept für ragù alla napoletana ist kein Knoblauch vorgesehen. Wer meint, er könnte nicht ohne Knoblauch auskommen, der sollte nicht mehr als eine Knoblauchzehe pro Kg Fleisch verwenden.
Zubereitung
Zwiebeln, Karotte, Sellerie und Frühstücksspeck fein hacken. In einer Kas­se­rolle mit 3 EL Öl oder 50 g Butter anschwitzen lassen. Anschließend das Hackfleisch hinzugeben. Bei ständigem Umrühren wenige Minuten bei hoher Temperatur anbraten, bis es brutzelt, dann den Wein hinzufügen, den man verdünsten lässt. Erst jetzt die Tomaten und die Gemüsebrühe hinzu­fügen. Die Temperatur auf eine kleinere Stufe herunterschalten. Das ragù zugedeckt ca. 3 Stunden köcheln lassen, gelegentlich umrühren. Erst gegen Ende die Milch hinzufügen, um die Säure der Tomaten abzuschwächen. Salzen, pfeffern.
Zum Schluss, wenn der ragù fertig ist, kann man – entsprechend der Bologneser Gepflogenheit – die Sahne hinzufügen, allerdings nur, wenn man pasta secca [] verwendet. Bei den Tagliatelle ist Sahne nicht üblich.

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Freilich wird auch in Italien dieses Rezept auf vielfacher Weise abgeändert. Jeder Chefkoch und jede Hausfrau hat eine „eigene“ Variante davon. Schließlich gibt es in Italien nicht nur den ragù bolognese. Der ragù alla napoletana ist ebenso bekannt und zeichnet sich, unter anderem, durch seine extrem lange Kochzeit aus. Wenn man einen Italiener fragt, wie man den besten ragù zubereitet, wird die Antwort unweigerlich lauten: „Come lo faceva la mamma“ („Wie es Mutter machte“).
Es ist zwar nicht im Originalrezept festgehalten, aber die Beigabe von so­ge­nannten sapori (wie Lor­beer­blät­ter und Rosmarin) können dem ragù den allerletzten Pfiff geben.

Ragù bologneser Art
Zutaten

Pancetta - 80 g
Schweinelende gehackt - 200 g
Rindfleisch gehackt - 200 g
Roher Schinken, eine Scheibe
Salsiccia (Italienische Bratwurst) - 120 g
Zwei kleine Zwiebeln
1 Karotte
1 Stange Stangensellerie
Geschälte Tomaten 400 g
Rotwein - 250 ml
Gemüsebrühe - 200 ml.
Olivenöl xtravergine - 4 EL
Butter - 70 g
Salz, Pfeffer

Zubereitung
Das Innere der salsiccia zerbröseln, den Schinken hacken, die geschälten To­maten passieren. Zwiebeln, Karotte, Sellerie und die Pancetta (nicht ge­räu­cherter Frühstücksspeck) hacken. In einer Kasserolle mit 2 EL Öl und 30 g Butter anschwitzen lassen. Anschließend die salsiccia hinzufügen, den Schin­ken und das Hackfleisch. Alles wenige Minuten bei hoher Tem­pe­ratur an­bra­ten, dann den Rotwein hinzufügen, den man verdünsten lässt. Erst jetzt die Tomaten und die Gemüsebrühe hinzu­fügen. Die Temperatur auf eine kleinere Stufe herunterschalten. Salzen, pfeffern.
Das ragù zugedeckt ca. 3 Stunden köcheln lassen, gelegentlich umrühren.
Mann kann das Rezept zwar vereinfachen, in dem man nur Hackfleisch ver­wendet, wenn man aber mit einer guten Köchin aus Bologna spricht, wird man von ihr erfahren, dass ein ragù desto besser wird, je größer die Vielfalt der dabei verwendeten Fleischsorten ist.

Auf dem kulinarischen Gebiet hat Bologna allerdings einiges mehr zu bieten als nur diese weltbekannte Soße und trägt daher den Beinamen „la grassa“, die Fette. Bologna liegt im Zentrum der anerkannten Feinschmeckerregion Emilia-Romagna und ist allein schon wegen ihres großen ku­li­na­ri­schen Angebotes einen Besuch wert.
Wussten Sie zum Beispiel, dass die Tortellini eine Bologneser Erfindung sind? Dass die Tagliatelle aus der Emilia stammen? Guten Appetit!
 
 
 
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